Grabesrede
zur Beerdigung/Einpflanzung von Julia und Romeo
auf dem Grünstreifen gegenüber des Theater Rampe in Stuttgart
Es ist nicht so, dass diese Anordnung aus Stechpalme und Scheinzypresse dem Zweck unterliegt, in erster Linie wie alle umgebenden Bäume, eine sinnhafte und stabile Einheit auszubilden damit durch sie ein bestimmter Nutzen für den Menschen erreicht wird. Vielmehr bilden sie das
›monsterbotanische Gefüge‹ aus, das sich aus den miteinander überwallenden Pflanze, ihren
technischen Bauteilen (den Schrauben) sowie aller verwendeten theatralischen Materialien einstellt.
›Monsterbotanische Gefüge‹ sind Materialsysteme, die es allen Beteiligten ermöglichen sollte, sich
als ›Fügende‹ in ihrer jeweils spezifischen Formen hervorzutun. Genau genommen bringen
›monsterbotanische Gefüge‹ je nach aktuellem Zustand ihres Wachstums und je nach den an sie
gestellten Anforderungen jeweils den Konstruierenden, Beleuchtenden, Gießenden, Übertitelnden,
Düngenden, beschallenden, Sägenden oder betrachtend Ruhenden Menschen hervor, der einen
wesentlichen Teil seiner ›künstlerischen Gestaltungshoheit‹ an die Pflanze abgegeben hat.
Indem sie diese durch ihr Austreiben und mögliches Verwildern selbst über den Zeitraum ihres
Wachstums hinweg ausübt, reicht jedoch nicht aus, sich beobachtend ›neben‹ die Pflanze zu stellen und zu versuchen, die Prinzipien zu erfassen, die ihr Wachstum bedingen, um sich dann entwurflich möglichst eng an diese ›anzuschmiegen‹. Das machen die beiden Pflanzen schon selbst. Vielmehr gilt es, die Verhältnisse zu bestimmen, die zwischen botanischen, technischen, kulturellen und anderen gesellschaftlichen Bedingungen vorherrschen.
Denn die Verhältnisse des Kontexts sind das ›Substrat‹ des Theaters wie das der Botanik . Es gilt,
das Risiko einzugehen, in die Gräben, die sich bei derartigen Aktionen ›auftun‹, einen ›kunstvoll
konstruierten Anfang‹ eines monsterbotanischen Stücks einzupflanzen, welches jedem Graben
(mehr oder weniger schnell) ›ent-sprießen kann‹.
AMEN.
Hannes Schwertfeger
Bureau Baubotanik
Stuttgart, am 22.12.2013