Archiv

Archiv für den Monat März 2022

In einem Zeitraum von zwei bis vier Monaten betreiben 20 Künstler:innen seit Januar künstlerische, ergebnisoffene Forschung in Recherchen, Laboren oder Konzeptentwicklungen. Unter den Personen in Residenz sind diesmal auch Absolvent:innen künstlerischer Studiengänge. Der Fonds Darstellende Künste setzt im Rahmen von NEUSTART KULTUR das Förder-Modul für Künstler:innen fort, die im Netzwerk Freier Theater organisiert sind. Hier ein Überblick der Künstler:innen und ihrer Arbeiten:

Gruppe CIS – Die Gruppe – Das holistische Nest

1.1. -28.2.

Studien zum Gruppenverhalten bei Orkas zeigen, dass das Selbstbewusstsein des Einzelnen auf alle Individuen innerhalb einer Gruppe verteilt ist. Wie entsteht so ein Gruppenbewusstsein? Welche Strukturen produzieren welche Formen der Zugehörigkeit? Wie organisiert sich eine Gruppe immer wieder neu, um sich zu erhalten? Zur Sichtbarmachung von Gruppenprozessen hat sich im Laufe der Recherche Wasser als interessanter Ausgangsstoff herauskristallisiert. Ähnlich wie Wasser durchlaufen auch Gruppen unterschiedliche „soziale“ Aggregatzustände von flüssigen, festen oder gasförmigen Dynamiken. Gruppe CIS sucht nach diesen Verhältnissen zwischen Raum, Körper und Erzählungen, die eine Gruppe Mal fluide strömen, Mal chaotisch verdampfen oder kalt erstarren lassen. Um daraus performative Strategien zu entwickeln, agiert Gruppe CIS diese Zustände einerseits spontan improvisiert, andererseits entlang eines Regelwerks ritualisiert aus.

Alexander Sowa – Der Rote Süden

1.1. – 28.2.

Alexander Sowa erforscht die Geschichte des Stuttgarter Südens als Arbeiter:innen-Viertel und Zentrum kommunistischer Widerstandskämpfer:innen. Für diesen Teil der Geschichte ist die Stadt unbekannt, denn heute sind diese Spuren fast verschwunden. Um dem Vergessen der Akteur:innen und ihres wichtiges Einsatzes entgegenzuwirken, gilt es ihre Geschichten herauszufinden und nachzuzeichnen.

Justyna Koeke – Power of Flowers

15.1. – 15.3.

Justyna Koeke erforscht die Verwendung von Blumen für Kostüme. Die Auswirkung des Zusammenspiels von Körper und Bewegung auf die Blumen, der Prozess der Veränderung im Verblühen steht dabei im Fokus. Die Vanitas-Symbolik der verwelkenden Blumen soll Ausgangspunkt für eine feministische Forschung zu einer Auseinandersetzung mit dem alternden weiblichen Körper sein.

Magda Agudelo – Pusteblume Löwenzahn

1.2. – 31.3.

Was hat dazu geführt, dass manche Pflanzen, die besondere kurative und nahrhafte Eigenschaften haben, heutzutage nur als Unkraut wahrnehmen werden? Welche gesellschaftlichen Änderungen und Gewohnheiten führten dazu? „Pusteblume Löwenzahn“ skizziert performative Ideen über lokale Pflanzen und setzt sich dabei mit Gegensätzen und Ergänzungen vom akademischen und volkstümlichen Wissen auseinander.

Das Theater Rampe kann 20 Künstler:innen aus seinem Umfeld diese #TAKEHEARTRESIDENZ ermöglichen und begleiten.

Robert Atzlinger – Auf dem Kompost erfindet sich der Kürbis neu

1.3. – 30.4.

Die Pflanzenpopulation von Kleingärten soll erfasst werden, um Landkarten zu erstellen, die die Exemplare verorten sowie ihre Herkunft und Migration aufzeigen. Wie begegnen sich heimische und eingewanderte Exemplare? In die Gartengrundrisse fließen Erzählungen der Gartennutzer:innen ein: Die Vorgeschichten der Pflanzenexemplare, der persönliche Bezug, und die jeweilige Gartenphilosophie.

Anna Gohmert – Gescheite(rte) Familienplanung 

1.3. – 30.4.

„Gescheite(rte) Familienplanung“ ergründet, wann und warum von einer erfüllten oder unerfüllten Familienplanung gesprochen wird. Was wird kommuniziert und was wird verdrängt, runtergeschluckt, kaschiert oder gedeckelt? Sie widmet sich dem verwendeten Vokabular, wie und von wem die Familienplanung rezipiert wird.

Rafael Ossami Saidy – Bin Laden, mein Vater und ich (AT)           

1.3. – 30.4.

Ausgehend vom 11. September 2001 befragt Absolvent Rafael Ossami Saidy den deutschen Migrationsdiskurs. Schwerpunkt ist die Parallelität des „Kampfes gegen den Terror“ und die gleichzeitige Herausbildung des „Menschen mit Migrationshintergrund“, der nicht mehr „Ausländer:in“, aber auch noch nicht Deutsche:r zu sein scheint. Es entsteht ein multimediales und intertextuelles Panorama.

Jonas Bolle Handlungs(un)fähigkeit

 1.4. – 30.07.

Jonas Bolle setzt sich mit dem Paradox auseinander, wie Handlungsansätze in Situationen der Ohnmacht aussehen könnten. Wie kann eine offene und diskriminierungssensible Arbeitsweise als die genuine Arbeitskultur an Theatern etabliert werden, die Freiheit in der künstlerischen Praxis überhaupt erst ermöglicht?

Yolanda Gutierrez – Erinnerungsort Theater

1.4. – 31.05.

Der Erinnerungsort Theater – es befasst sich mit der Erinnerung, die wir an das Theater haben, wenn es nicht mehr da ist. Vorübergehend erfuhren wir als Gesellschaft während des Pandemie-Lockdowns, was es heißt, ohne Theater zu leben. Als Ort der Sehnsüchte und Erlebnisse wurde es vermisst. Was bleibt von dieser Erinnerung? Und was bedeutet Theater für unseren Alltag?

Klemens Hegen (Absolvent*in) – APOLOGETIC                                                        

1.4 – 31.07.2022

Absolvent Klemens Hegen untersucht Entschuldigungen von Cis-männlichen Personen und deren Bezug zu Männlichkeitskonstruktion und Feminismus anhand von persönlichen Reflexionen, Interviews und Literaturrecherche. Im Zentrum stehen Fragen nach den Elementen sorgsam und verantwortungsvoll formulierter Entschuldigungen, die zur positiven Transformation von Männlichkeitsbildern beitragen könnten.

Fender Schrade – Abschiedmusik

1.4. – 31.5.

Klang ist eine Tür zur Transformation. Mittels des 392, einem Musikinstrument und einer Technologie, um Künstler:innen verschiedener Genres gemeinsam sichtbar und hörbar zu machen, sollen Rituale des kollektiven Abschiednehmens erforscht werden. Dazu werden Performancenachlässe, aber auch zeitgenössische Spielorte und Arbeitsmittel sonisch untersucht; mit dem Ziel, Abschied als kreativen Teil eines Erneuerungsprozesses zu begreifen.

Lajos Talamonti – Wegen Tod vorübergehend geöffnet

 1.5. – 30.06.

„Wegen Tod vorübergehend geöffnet“ wird das Verhältnis der Affluent Society mit dem Tod erforschen, der gesellschaftlichen Dimension des Sterbens als verdrängter lebensbegleitender Aufgabe. Das Sterben deckt den Fehler im Betriebssystem Moderne auf: die Erwartung der Vermeidbarkeit macht das Sterben inakzeptabel. In der Hochburg der Arbeitsethik Stuttgart wird Loslassen und Vergessen geübt.

Kathrin Krumbein – TROSTN

1.7. – 31.08.

Wo soll ich die Tränen denn hin tun in dieser Stadt? Die Recherche legt die dramaturgische Grundlage im Hinblick auf neue Riten in bezug auf Abschied und Heilung, Entlastungs- und Troststrategien im öffentlichen Raum und begibt sich auf die Suche nach den Dehnungsfugen in der Struktur der Stadtgesellschaft, die den Prozess der Resilienz begünstigen.

Herbordt/Mohren Sprechstunde – eine künstlerische Sprechstunde

1.3. – 30.4.

Die künstlerische Recherche begibt sich in das Spannungsfeld praktischer Institutionenkritik und Kunstritual. Strategien des Teilens von Ressourcen, Wissen und Gegenwart sollen hier verflochten werden mit den Reflexionen um ein institutionelles Vermächtnis. Wie sind biografische Entscheidungen mit denen von Institutionen verbunden? Wovon berichten sich Institutionen, Nachbar:innenschaft, Kunst und Einzelpersonen? Wer analysiert? Wer wird analysiert? Was bleibt?

Julian Carly (Absolvent*in) – Aufarbeitung kollektiver Traumata einer Kindheit vorm Fernseher    

1.5. – 30.6.

Julian Mahid Carly untersucht alte TV-Formate seiner Kindheit und interessiert sich dabei für Details, Sehgewohnheiten und Anomalien, die ihn und sein künstlerisches Schaffen prägen. Als Fan, angehender Laiendarsteller, Drehbuchautor und Wutanfallhaber dekonstruiert er Bewegtbilder einer vergangenen Zeit um herauszufinden, wie man mit ihren toxischen Altlasten szenisch produktiv umgehen kann.

Amanda Lasker-Berlin (Absolvent*in) – Im Müden und im Stillen gelingen Heldinnen am besten auf Papier

1.5 – 30.6.

„Wer hat dafür gekämpft, dass ich lesen und schreiben lernen durfte, wer dafür, dass ich wählen kann, wer dafür, dass ich studieren durfte? Wer waren die Frauen, die für mich gekämpft haben und die ich nicht verehre, weil ich nie von ihren gehört habe?“, fragt Amanda Lasker-Berlin und macht sich auf die Suche nach verblassten Spuren, um daraus Altäre und Luftschlösser zu bauen  

Andreas Vogel – Wechselwirkungen von Theater und Livepräsentation von Pop- und Rockmusik

1.6. – 31.7.

In Gesprächen mit diversen Kulturschaffenden aus Theater und Live-Popmusik will Andreas Vogel der Frage nachgehen, wie die unterschiedlichen Perspektiven auf die jeweils andere Kunstform sind und für was sie stehen. Es soll ein Archiv aus Interviews und Filmbeispielen entstehen, das die Differenzen und Übereinstimmungen von Theaterinszenierungen und Pop-Events ab- bzw. herausbildet.

#takeheart