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Archiv für den Monat Dezember 2014

Am Donnerstag, den 18.12.,ab 19:00, findet das Finale von BOUVARD & PECUCHET 3000 statt. Auf Einladung von Adrianna Liedtke und Felix Enssslin zeigen sieben verschiedene Künstler, Künstlerpaare Arbeiten rund um die Themen Wissen, Erben, Sex. Die Präsentationen sind in einem 3-dimensionalen temporären Glossar angeordnet, ein performatives Verzeichnis zum Liebes-Kapitel bei Flaubert und zu zehn Kapiteln künstlerischer Forschung am Theater Rampe.

 

 

Mit:

Leonora Ruchay

studiert an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart seit 2007 Freie Kunst und ist dort seit kurzem Mitglied der Klasse Ricarda Rogan. Neben Fotographie und Video arbeitet die Künstlerin mit durch Recherche und Interviews generierten ebenso wie mit selbstverfassten Texten. Neben zahlreichen Beteiligungen an Gruppenausstellungen und –projekten zeigte sie ihre Arbeiten u.a. in der Soloausstellung „9to5 or 24h“ im Sudhaus, Tübingen, 2013.

 

Eve Kolb

studierte Schauspiel an der HfS Ernst Busch in Berlin, arbeitete u.a. in Weimar, Köln und Göttingen, lebt als freie Schauspielerin seit einigen Jahren wieder in Berlin  und ist dort an der Humboldtuniversität für den Studiengang Psychologie eingeschrieben und überbrückt kunstfreie Phasen in der Gastronomie.

 

Leon Filter und Florian Clewe

sind bildende Künstler und leben und arbeiten in Brüssel und Berlin. In ihrer gemeinsamen und individuellen künstlerischen Praxis arbeiten sie sich durch unterschiedliche Felder der Kultur und des Wissens, so etwa durch die historische Kulturtechnik des Bäumebiegens und die Geschichte der Flüssigkristallforschung. Dabei untersuchen sie die Spannungsverhältnisse, die aus der Migration der angeeigneten Bilder, Praktiken und Problemhorizonte in die Produktion künstlerischer Formen und Selbstentwürfe hervorgehen.

 

Oana Vainer

Geboren 1980 in Bukarest. Studium an der Universität der Bildenden Künste in Bukarest. Anschließend Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und Tallinn. Trägerin des Akademiepreises der Bildenden Künste in Stuttgart und des DAAD Preises. Im Jahr 2014 Stipendiatin an der Cité Internationale de Paris. Oana Vainers neuere Arbeiten setzen sich mit den persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Realitäten einer de facto lediglich vertraglichen und währungspolitischen Europäischen Union auseinander. Arbeitsutensilien sind bei Oana Vainer Gegenstände, die eine gemeinsame Vergangenheit ausweisen, Videos oder auch der eigene Körper. Dabei verwendet sie bestehende Inhalte als Restriktion und verändert diese in mehreren Transformationsprozessen in eine neue Realität. Klischees werden nicht negiert sondern ad absurdum geführt.

 

Raphael Sbrzesny

studierte Klassisches Schlagzeug, Neue Musik und Kammermusik in Stuttgart und Paris, Experimentelles Musiktheater und Komposition in Bern, und Bildende Kunst in Stuttgart und München. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, zuletzt das Landesgraduiertenstipendium sowie ein Bundesatelier in der Cite International des Art Paris. Derzeit arbeitet er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zusammen mit Felix Ensslin an einem künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsvorhaben mit dem Titel: ‚Das Material des Anderen im Eigenen – Übungen zu einer Ästhetik der Interpretation’. Dabei versucht er Begriffe wie Repertoire, Fingerübung und der Interpret für einen Figurenentwurf zu diskutieren, welcher Möglichkeitsräume für eine künstlerische Produktion jenseits eines ständigen Aktualisierens bestehender Ordnungen markiert.

 

Das letzte Kapitel der Forschungsresidencyreihe BOUVARD & PECUCHET 3000 begann am 4. Dezember mit dem Einzug von Adrianna Liedtke und Felix Ensslin – beide Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Bis zum 18.12. sind die beiden mit Unterstützung diverser KünstlerkollegInnen im Labor im Theater Rampe.

Freitag den 12., Samstag den 13., Mittwoch den 18. und Donnerstag den 19. gibt es ab 18:00 Uhr öffentliche Präsentationen im Labor.

Außerdem veranstaltet Felix Ensslin seine beiden wöchentlichen Seminare Dienstags und Mittwochs im Weinladen unter dem Theater; am 17. 12. von 13:30 – 16:00 Uhr und am 18. 12. von 10 – 12:30 Uhr.

 

Ein Gespräch zwischen Dominic Oley, Armin Zebrowski und Jan-Philipp Possmann

(7. November 2014)

Jan-Philipp Possmann:
Dominic, wie wichtig ist für dich Lektüre anderer Texte, wie verwendest du Texte?

Dominic Oley:
Es sind oft Referenzlektüren, aus Diskussionen, denen man beiwohnt, Wissen, das man gesampled hat aus Begegnungen. Früher hat man das noch unbeholfener zusammen gesteckt. Inzwischen kommen die soziologischen Überlegungen auch aus einem selbst, durch das was man sich angeeignet hat. Über die Arbeit.

JP:
Wie findest du Texte?

DO:
Edition Suhrkamp. Ich finde es dann immer schön, wenn ein Text über einen schlauen Gedanken auch eine humoristische Komponente hat. Also eine humoristische Anlage aufzustöbern, die kritisch ist, die Wirklichkeit kritisch beäugt. Ich kaufe mir auch ganz viele Bücher, lese sie aber nie. Sonst lese ich sie mit dem Stift, markiere mir, wasmir auffällt, und dann kommt man da vielleicht später drauf zurück.

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JP:
Heißt das, du liest auch gegen den Strich?

DO:
Natürlich gibt es das, aber ich versuche schon, die Essenz nicht komplett zu demontieren. Es geht eher darum, die Aussage mit etwas anderem zu verschränken. Es gibt natürlich so Texte, die einem anempfohlen werden, und die man dann eher so mechanisch liest, das Ritual erfüllt, ohne dass man weiß, was man da jetzt verstanden hat. Aber das wirkt dann später.

Und manchmal kommt so ein Copy-Paste-Verhalten des Gedankens, wenn man sich mit einem Gedanken verschwistert, wenn man denkt, ja, so die Wirklichkeit zu beschrieben, kommt mir logisch vor. Dann zitiere ich das auch direkt.

Es sind oft nur Bruchstücke, nur Sätze, die irgendwas auslösen. Ich kann das aber nicht mehr nachvollziehen für meine Stücke. Da die Figuren in den Stücken ja auch sozusagen frei assoziieren,

deswegen kann man nicht sagen, eine Idee hat einen ganzen Text beeinflusst, sondern die Figuren können auch selbst einen Gedanken in den Mund nehmen.

JP:
Als Dramaturg ist man ja ständig dabei, sich in neue Sachen einzuarbeiten. Mit jeder neuen Produktion musst du sagen, ich bin jetzt der Experte für dieses Thema, was du natürlich nie bist. Man ist vom Berufsbild total zur Oberflächlichkeit erzogen. Das kommt mir zum Beispiel entgegen, weil ich tatsächlich gerne lese, aber in der Regel nie gründlich und lang.

DO:

Ich lese das auch nicht in aller Ruhe. Bei Armin ist das wahrscheinlich anders.

Armin Zebrowski:
Du täuschst dich. Zum konsequenten Durchlesen habe ich gar nicht die Zeit, und auch oft nicht die Lust. Ich gehe eher auf das assoziative Lesen. Wenn ich ein Werk wie die Geheimlehre habe, da schlage ich mal eine Seite auf oder gehe über den Index rein. Dann lese ich irgendwas, drei vier Stellen, dann bleib ich irgendwo hängen und lese da weiter, und dann leg ich’s wieder beiseite, hab dann aber was mitgenommen, womit ich arbeiten kann.

JP:
Bei dem Stück, das Dominic jetzt geschrieben hat, ist das Material die menschliche Begegnung, mit Armin, mit mir. Aber es gibt ja auch die Begegnung mit Personen, mit Autoren über deren Büchern. Es gibt eine große, ehrfurchtgebietende Bibliothek im theosophischen Zentrum hier in Stuttgart. Wie ist dein Verhältnis zu diesen Autoren, Armin, zu diesen Menschen, wie Blavatsky?

AZ:
Die Bücher sind gesammeltes Wissen. Von Menschen, vor denen ich tiefe Ehrfurcht oder Demut empfinde, weil ich merke, dass ich ihr Wissen selbst noch nicht durchmessen kann. Die Bücher sind aber eigentlich nur Begleiter für mich. Mein Weg ist ein anderer. Ich versuche im Leben die Erkenntnis zu finden. Und wenn man dann das Buch in die Hand nimmt, dann passiert genau das, dass man Stellen findet, die eine Resonanz hervorrufen. Oft ist es so, dass man Gedanken in sich trägt, und irgendwann liest man diesen entscheidenden Satz, und dann hast du es in der Hand und kannst es anfassen. Das ist eben das, was mir das Leben beigebracht hat.

Purucker, der theosophische Lehrer, wurde mal gefragt: „Was ist eine Frage?“ Purucker hat geantwortet: „Eine Frage ist ein Gedanke, der sich in Geburt befindet.“

Im Grunde genommen ist es so: Bücher sind Schätze von Wissen, die jemand gesammelt hat. Aber für sich selbst haben sie keinen Wert. Wert erhalten sie erst, wenn wir im Leben eine Resonanz für dieses Wissen finden. Sonst können wir nichts damit anfangen. Bücher können Gedankensamen in uns ablegen, die irgendwann wie eine Pflanze im Frühjahr wieder auftauchen. Und zum anderen helfen sie uns, das zu realisieren, was in uns ist, aber oft noch unbewusst. Wenn man mal ein Buch in die Hand nimmt, das man vor langer Zeit gelesen hat, und man hat Anstreichungen gemacht, wie Du gesagt hast Dominic, dann findest Du oft Stellen, die viel interessanter sind, als die, die Du dir damals angestrichen hast. Du siehst dann wie das Buch dein Inneres reflektiert. Und das ist ja überhaupt der Weg, sich selbst zu beobachten und zu schauen, wie reagiert mein eigenes Ich, mein eigenes Wesen.

JP:
Warst du mal an dem Punkt, wo Du gesagt hast, jetzt muss ich aber mal alle Bücher von Purucker oder Blavatsky in der richtigen Reihenfolge durchlesen, auch wenn es mühsam ist?

AZ:
Niemals, würde ich auch nie machen. Wir machen es genau andersherum. Wenn wir in den Studiengruppen zusammenarbeiten, nehmen wir verschiedene Texte zur Hand. Eine der Aufgaben ist es ja, sich mit anderen Religionen und ihren Texten zu beschäftigen. Wir nehmen da manchmal nur zwei oder drei Sätze und verbringen zwei Stunden damit, nur über diese Sätze zu meditieren, zu philosophieren. Wenn ich die Philosophie, die manchmal in nur einem Satz steckt, verstehen will, dann kann ich nicht so einen dicken Schinken durchlesen.

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JP:
Würdet ihr sagen, Eure Methoden, also das quasi meditative Lesen hier und das Zusammenklauben da, ist das eine Form von Wissensproduktion? Oder ist das eher was Emotionales als was Intellektuelles?

AZ:
Das kann man so oder so sehen. Aber man kann ja mal ein Experiment machen: Wenn man ein Buch hat, das einen interessiert, man aber aus irgendwelchen Gründen es nicht durchlesen kann, dann kann man versuchen, dem Leben mal seinen Lauf zu lassen. Nimm dieses Buch und schlag es einfach irgendwo auf und dann schau, was da passiert, was für ein Dialog da entsteht zwischen dem Buch und deinem Leben.

DO:
Die Frage ist: Ist es auch da, bevor ich es sehe? In gewisser Weise wird es durch uns transferiert. Ist das Wissen in dem Buch ohne mich, ohne meine emotionale Psycho-Physis, überhaupt da? Was ist Wissen dann? Zusammengetragene Gedanken, die mit uns in Verbindung gesetzt werden? Oder praktisches Know-how?

Das Wissen ist ja immer in Bezug auf etwas anderes, nämlich die Wirklichkeit, in der ich versuche mich instandzuhalten. Ich eigne es mir nicht an, um es zu haben, sondern als Instrument der Orientierung. Filter aufzubauen, die es mir möglich machen, mich nicht ausgeliefert zu fühlen, differenzieren zu lernen. Das Wissen färbt die Wahrnehmung ein. Es geht für mich um Repräsentationskritik. Es geht darum, Erzählungen zu finden, Spuren von Erzählungen, darüber, wie und was wir überhaupt wahrnehmen.

JP:
Kann man denn sagen, man nimmt eh nur das wahr, was man schon weiß? Vielleicht geht es ja nur darum, Begriffe zu finden für etwas, das man emotional schon begriffen hat.

DO:
Oder sagen wir mal so, die Möglichkeit, alles Wissen zu erschließen, ist vielleicht schon da, aber erst die Begegnung mit einer Sache verweist auf das Mutterschiff, wo dieses Wissen ist.

JP:
Es könnte ja sein, dass etwa beim Lesen gar kein neues Wissen in uns hinein kommt, sondern dass nur Wissen abgerufen wird, das schon in uns drin ist. Dass es also genau umgekehrt ist.

AZ:
In den Geschichten über Gautama Buddha wird beschrieben, wie er menschliche Vollkommenheit erreicht. Er hat universales Wissen. Alles was man als Mensch wissen kann, weiß er. Er sieht auch die Reihe seiner Inkarnationen wie an einer Perlenkette aufgereiht vor seinem Auge. Er weiß alles! Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir eine höhere Instanz in uns haben, dann wäre das der Ort, wo ich dieses Wissen lokalisieren würde. Je mehr es uns gelingt, die Verbindung zu diesem inneren Licht herzustellen, desto eher ist es möglich, das wir intuitiv Dinge erfassen, die wir uns sonst nur sehr schwer ergründen können. Ich unterscheide also zwischen verschiedenen Arten von Wissen. Das eine ist das Kopfwissen, das analytische, das wir in der Schule lernen. Dieses Wissen geht aber wieder verloren, wenn wir sterben, denn es ist gebunden an diesen Körper, dieses Erinnerungsvermögen. Wir haben aber auch diese andere Form von Wissen in uns, das universale Wissen. Das absolute Sicherheit vermittelt. Das können wir erfahren, wenn wir uns in die Nähe unserer spirituellen Natur bewegen. Sämtliches Wissen des Universums ist in uns. Wir sind nur teilweise in der Lage, es zu sehen durch das Gefangensein in der Maya, der Illusion. Dadurch, dass wir unser Bewusstsein komplett an unsere äußeren Sinne gebunden haben.

Für mich ist das ein evolutionäres Problem. Das Intuitive, das Assoziative, können wir noch nicht so lenken, es fällt uns noch zu. Aber je weiter wir gehen in unserer Entwicklung, desto mehr wird sich das uns auch erschließen.

Lieber Oliver,

Du gehst nun fort und machst dich auf die Reise. Alle unsere Reden haben nichts geholfen, wir wussten vermutlich, dass wir dich nicht aufhalten würden können. vermutlich waren sie deswegen auch so schlecht. aber ich will dir doch noch ein paar Worte mehr mit auf den Weg geben. Ich kann nicht sagen, dass ich es bedauere, denn es ist ja unvermeidlich.

Als ganz kleiner Junge hattest Du eine Leidenschaft für Landkarten. Du konntest Dir stundenlang Südamerika, oder Afrika, oder Australien betrachten und dich in die Wonnen der Erforschung versenken. Damals gab es noch viele weiße Flecke auf der Erde, und wenn Du auf einen stießt, der auf der Karte einladend aussah (aber das tun sie ja alle), dann legtest Du den Finger darauf und sagtest: ›Wenn ich groß bin, will ich dahin gehen.‹ An einigen davon bist Du gewesen und … nun, wir wollen nicht davon reden. Aber einen gab es noch, den größten, den weißesten sozusagen, nach dem Dir der Sinn stand. Aber tatsächlich ist es kein weißer Fleck mehr. Er ist mit Strömen, Seen und Namen angefüllt worden. Er hat aufgehört, ein Raum voll köstlicher Geheimnisse zu sein. Er ist zu einem Ort der Finsternis geworden.

Die Imagination Hunderter Forscher war schon vor Dir dort. Sie sind mit ihren Wanderstiefeln durchmarschiert und haben jedes Dinge benannt, bevor es überhaupt jemals jemand angeschaut hat. Sie haben mit der Fackel der Wissenschaft das Leuchten des Geheimnisses verdunkelt. Und schließlich sank die Sonne tief ans Ende ihrer Bahn, wechselte von blendendem Weiß zu tiefem Rot, ohne Strahlen und ohne Hitze, als wollte sie plötzlich verlöschen, zu Tode getroffen von der Berührung mit jener über einer Menschenmasse lastenden Düsternis.

Du wirst dort nicht finden, was Du suchst. Vorausgesetzt Du weißt überhaupt, was Du suchst. Mit deinem Fünf-Pfennig-Flussdampfer mit einem Kinderpfeifchen daran. Als wärst du einer jener Schaffenden mit einem Kapital. Eine Art Gesandter des Lichts, ein Apostel. Ist das eine Art Avantgarde-Komplex des Künstlers. Wo ich bin ist vorne? Oder wie bei Horst Mahler: Ob rechts oder links, Hauptsache radikal? Warum ist das Neue, unbekannte, eine Qualität für sich? Wird Kunst besser, nur weil sie sich weiterentwickelt? Oder Gesellschaft? Warum also interessiert man sich überhaupt für die Quantenwelt, wenn die Gesetze der Quantenphysik sowieso nur im atomaren Größenspektrum relevant sind? Wir leben doch ganz gut in der Makrowelt…

Du bist weder der erste noch der letzte, warum also überhaupt reisen? Frage Dich selbst, Oliver: Ist es eine Reise zu einem Ort hin oder bloß weg von einem anderen? Ich verrate Dir etwas: Du wirst genau das finden, was Du jetzt schon kennst. Das Neue, das wirst Du gar nicht erkennen, wenn Du ihm begegnest. Du wirst immer nur in Dich selbst hinabschauen, und es kann sein, dass das was Du siehst, sehr enttäuschend ist. Die Finsternis, das ist unser Geist. Nicht das Licht, die Finsternis. Der pulsierende Strom des Lichts oder der trügerische Fluß aus dem Herzen einer undurchdringlichen Finsternis. Da draußen gibt es nur Dich, sonst nichts.

Ich sehe Dich vor mir, wie Du deine Schuhe über Bord wirfst, zu dem Teufelsgott dieses Flusses. Du könntest Dich nicht einsamer und trostloser fühlen, wärst Du deines Glauben beraubt worden oder hättest Du die Bestimmung deines Lebens verfehlt.

Aber Du bist ja taub für alles außer himmlischen Bildern und Klängen, blind und taub. Die Erde ist für Dich nur ein Übergang. Für uns ist sie der Ort, an dem wir leben müssen, an dem wir uns mit Anblicken, Tönen, auch mit Gerüchen, bei Gott, abfinden müssen, wo wir auch einmal verfaultes Flußpferdfleisch riechen müssen, ohne uns vom Ekel unterkriegen zu lassen. Und hier, siehst Du, hier kommt die Kraft ins Spiel, der Glaube an die eigene Fähigkeit, die Kraft der Hingabe, nicht an uns selbst, sondern an ein finsteres, widerwärtiges Geschäft. Und das ist schwer genug.

Ich nehme an, dass Du mich für barbarisch oder gefühllos hälst. Aber in dem Raum in dem ich sitze ist eine Lampe – Licht, weißt Du – und draußen, da ist es so scheußlich, scheußlich finster.

 

 

 

JP