Angeschlossen ans NFT (Netzwerk Freier Theater), ist das Theater Rampe erneut ein Ort der #TakeHeart Residenzförderung des Fonds Darstellende Künste im Rahmen von NEUSTART KULTUR. Zwei Monate lang widmen sich 12 Künstler*innen wieder ergebnisoffenen Forschungsprozessen: Labore, Recherchen und Konzeptentwicklungen:

Von 1. Januar – 28. Februar 2023: Alexander Sowa, Arbeit und Spiel

Alexander Sowa untersucht das politische Moment des Festes und des Spiels als Grundlage von Politik selbst.
Diese richtet ihre gesamte Energie allerdings auf die Arbeit, in deren Opposition die beiden anderen Bereiche
gerückt und als Freizeit entpolitisiert werden. Da es besser umgekehrt sein sollte, gilt es das Potential von Fest&Spiel nicht allein in der Unterhaltung und Ablenkung zu betrachten.

15.1. – 15.3.2023: Justyna Koeke, Looking for the background

Während des Stipendiums beschäftigte sich Justyna Koeke mit einem erweiterten Theater- und Bühnenbegriff. Die Fragestellungen, die sie dabei besonders interessierten waren: Welche Bühnensituationen können mit nur minimalen Eingriffen im öffentlichen Raum gesetzt werden? Wie kann der Blick der Zuschauer*innen entsprechend gelenkt werden? Welche Kontexte ermöglichen fruchtbaren interdisziplinären Austausch?

Hierfür ging Justyna Koeke auf zweierlei Arten vor: einerseits hat sie Personen anderer Berufsgruppen in ihr Atelier im Kunstverein Wagenhalle eingeladen, um gemeinsam über nachhaltige, temporäre Bühnenbilder sowie Experimentieren mit einer Vielzahl von Materialien und methodischen Ansätzen zu reflektieren – von Design, über Technik bis hin zu Alltagspraktiken. Andererseits suchte sie im Stadtraum nach vorhandenen Strukturen, um deren Qualitäten als „neue“ oder „zufällige“ Bühnen zu untersuchen.  Koeke setzte sich damit auseinander, wie Alltägliches transformiert werden kann und dadurch nicht nur die momentane Wahrnehmung der Zuschauer*innen geschärft wird, sondern wie eine nachhaltige Veränderung des Aufnehmens aller (alltäglichen) Lebensbereiche bewirkt wird.

Diese Bühnenbilder entstanden durch kleine Manipulationen bestehender Settings: ein trockener Baum im Park wird zu einer Skulptur, die zum Mittelpunkt der Aktion wird. Recherchen zu ökologisch nachhaltiger Materialnutzung und die Auflösung von Grenzen zwischen künstlerischen Sparten sowie die Aufhebung zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Design stehen dabei im Fokus. Ziel ist eine Arbeitsmethode zu entwickeln, die das vorhandene nutzt und durch die Veränderung das kreative Potenzial der Imagination freisetzt.

Von 1.3. – 30.4.2023: Magda Agudelo, Der feiernde Körper

In unserer Kultur ist das Erreichen von Freude u. Ekstase häufig mit dem Konsum von Alkohol und Drogen verbunden. Durch welche anderen Wege u. Techniken können diese Gefühle erreicht werden? Bei der Recherche werden Musik und Bewegungsdynamiken gesammelt. Diese werden bei der Suche nach einem performativen u. partizipativen Format verwendet, welches das Erleben von Emotionen des Feierns fokussiert.

Robert Atzlinger, Was bleibt

Auf Friedhöfen untersucht Robert Atzlinger das Sichtbarmachen des Erinnerns, und dokumentiert Beispiele individueller, origineller Symbolik. Ergänzend sichtet er Kundmachungen, Annoncen und Nachrufe. Das Augenmerk gilt dem Sprachgebrauch beim Trauern und den Euphemismen. Die Erkenntnisse lässt Atzlinger mit persönlichen Erinnerungsobjekten und Familienerzählungen reagieren.

Niko Eleftheriadis, For a Change – Mein Leitbild für freies Arbeiten
Welche inszenatorischen und schauspielerischen Methoden, welcher Umgang mit Raum und Zeit im Theaterbetrieb, welche Produktionsabläufe braucht ein freier darstellender Künstler in Zukunft? Wie sorgt er für die eigenen ökologisch-solidarischen Arbeitsbedingungen? Aus der Perspektive des Einzelkünstlers erarbeitet Niko Eleftheriadis ein Leitbild für seine Praxis als Regisseur, Schauspieler und Autor.

Matriarchale Volksküche, Restrukturierung

Die Matriarchale Volksküche steht als Ökonomie der Sorge im Kontrast zur Ökonomie des Marktes und ist mehr als eine Antwort der Frauen auf Krisen: Sie stellt mit radikaler Herzlichkeit den existenziellen Rahmen, den Körper benötigen, um die Suppe auszulöffeln. Nun befragt sie die eigene Struktur und Ressourcen sowie die ihrer Schwestern*, um auch weiterhin kräftig auf den Tisch hauen zu können.

Fender Schrade, Träumen

Fender Schrade beschäftigt sich in dem Rechercheprojekt „Träumen“ mit der unbewussten sonischen Ebene im Schlaf und deren kreativer Wirkung im Kontext von Musik und Klang im Theater/Livekunst. Schrade recherchiert nach Praxen der sichtbar- und Erfahrbarmachung von sonischem Traumbewusstsein speziell im Bezug auf adhoc-Konzerte.

Ülkü Süngun, Aussetzen

Ülkü Süngün lädt dazu ein, die Institution Theater Rampe auszusetzen, um mittels interdisziplinärer Ansätze über die Utopie eines diversen und inklusiven Theaters nachzudenken: durch Strategien des Innehaltens, des Besetzens, Experimentierens wird die Institution zu Themen wie Hanau und rassistischer Gewalt sowie Erinnerungskulturen und intersektionalem Feminismus gestresst werden.

Cycy, Feuer, Feuer und Flamme
Feuer und Flamme ist eine performative Recherche zum Thema Feuer, zu Bewegungen und Narrativen, die im direkten Zusammenhang dazu stehen. Feuer prägt die Menschheit seit jeher und die Menschheit prägt die Welt durch Feuer. Feuer ist ein Mittel der Emanzipation, der Macht, der Vernichtung und des Neuanfangs. Die Gruppe CyCy plant sein performatives Potential freizulegen.


#takeheart

Arbeit – welche Arbeit?

Vom 13. – 15. Oktober betritt das Institut für künstlerische Post-Migrationsforschung mit die aktivistische Bühne und macht Perspektiven sicht- und hörbar, die im Theater oft ausgeschlossen werden: Im TRIBUNAL DER ARBEIT verhandelt die Künstlerin Ülkü Süngün mit ihren Gästen illegale und illegitime Arbeit in Deutschland – und lädt das Stuttgarter Publikum als Zeug*innen ein. Den Auftakt bilden ein Vortrag sowie eine Gesprächsrunde.

Am Samstag, 15. Oktober, verhandelt das Tribunal illegale, illegitime, un- oder unterbezahlte Arbeit in Deutschland, die oft von Arbeitsmigrant*innen oder Geflüchteten verrichtet wird. Eingeladen sind Madgermanes, „Mall of Shame“-Demonstrantinnen, refugees4refugees-Aktivist*innen sowie Pflegekräfte und Erntehelfer*innen. Selbstorganisationen berichten über historische aber auch aktuelle Kämpfe von Arbeiter*innen, die sich gegen diese politisch ermöglichte Ausbeute wehren und notfalls vor Gericht klagen.

Arbeit – welche Arbeit? Eine Perspektive from below | Vortrag von Ellen Bareis am 13.Oktober 2022, 18:00 – 19:30

Was als Arbeit gesellschaftlich wahrgenommen wird, was mit diesem Begriff erfasst wird, erweist sich historisch und ethnographisch als sehr unterschiedlich, ist rechtlich meist jedoch sehr ordentlich kodiert. In der Gesellschaft, in der wir heute leben, setzen wir „Arbeit“ mit bezahlter Arbeit gleich, also mit Lohnarbeit oder Erwerbsarbeit.

Dazu zählen aber auch alle „atypischen Lohnarbeitsverhältnisse“, die rechtlich eher schwach abgesichert sind. Nicht nur prekäre Beschäftigung, sondern auch Zwischenverträge und Lockangebote, Abzocke und inhumane Unterbringung auf „Montage“.

Der Ansatz from below geht davon aus, dass Arbeit der Modus ist, in dem wir Gesellschaft hervorbringen: die Produktion von Gesellschaft from below.

Uns interessiert analytisch, wie „Arbeit“ so kolonialisiert werden konnte, dass Care-Arbeit, Beziehungsarbeit, Klimaarbeit, Gesellschaftsarbeit so unter Rechtfertigungsdruck geraten sind, dass sie nur noch unter „gesellschaftlichem Engagement“ verhandelt werden. Ist „Fridays for future“ Arbeit oder Engagement? Außer ich habe einen bezahlten Job in einer NGO?

Und noch mehr: Wenn diese Tätigkeiten als „Engagement“ und nicht als Arbeit verstanden werden: Was heißt das für all die Arbeit im Alltag, um überhaupt ein Leben organisieren zu können? Sei es auf der Flucht, in der Armut oder in einer privilegierten Situation. Kurz: Mit welcher Arbeit gestalten wir Gesellschaft und ihre Zukunft?

Ellen Bareis, Dr. phil., Professorin mit dem Schwerpunkt „Gesellschaftliche Ausschließung und Partizipation“ und Soziologie an der Hochschule Ludwigshafen, deren Vizepräsidentin sie auch ist. Sie studierte Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt/M; promovierte in Frankfurt/M. über Konflikte, alltägliche Nutzung und Kontrolle in urbanen Shoppingmalls. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Alltag und soziale Kämpfe, die Produktion des Sozialen from below und Transformationen des Städtischen sowie Organisationsforschung, (Nicht-) Nutzungsforschung.


Beratung und Bildungsarbeit im Spannungsfeld von Gewalt und Solidarität

Vom 13. – 15. Oktober betritt das Institut für künstlerische Post-Migrationsforschung mit die aktivistische Bühne und macht Perspektiven sicht- und hörbar, die im Theater oft ausgeschlossen werden: Im TRIBUNAL DER ARBEIT verhandelt die Künstlerin Ülkü Süngün mit ihren Gästen illegale und illegitime Arbeit in Deutschland – und lädt das Stuttgarter Publikum als Zeug*innen ein. Den Auftakt bilden ein Vortrag sowie eine Gesprächsrunde.

Am Samstag, 15. Oktober, verhandelt das Tribunal illegale, illegitime, un- oder unterbezahlte Arbeit in Deutschland, die oft von Arbeitsmigrant*innen oder Geflüchteten verrichtet wird. Eingeladen sind Madgermanes, „Mall of Shame“-Demonstrantinnen, refugees4refugees-Aktivist*innen sowie Pflegekräfte und Erntehelfer*innen. Selbstorganisationen berichten über historische aber auch aktuelle Kämpfe von Arbeiter*innen, die sich gegen diese politisch ermöglichte Ausbeute wehren und notfalls vor Gericht klagen.

Beratung und Bildungsarbeit im Spannungsfeld von Gewalt und Solidarität | Gespräch mit Gergana Mineva und Rubia Salgado sowie Annita Kalpaka am 14. Oktober 2022, 15:00  – 19:00
Ausgehend von ihrer Beschäftigung im Feld der Bildungs- und Beratungsarbeit mit migrierten und geflüchteten Frauen* sehen sie sich mit vielen Fragen konfrontiert, die sie im Rahmen dieser Gesprächsrunde gemeinsam diskutieren wollen:

 Vor welche Herausforderungen sind wir gestellt? Welches Verständnis von Professionalität und Aktivismus in der Bildungs- und Beratungsarbeit teilen wir? Welche Widersprüche ergeben sich durch die
 Erwartungen und Aufträge an uns durch Fördergeber*innen und staatliche Instanzen aber auch durch die Adressat*innen und wie können wir mit ihnen umgehen? Inwieweit sind wir in unserer Tätigkeit selbst Teil von den herrschenden Gewalt-, Ausbeutungs- und Machtverhältnissen und reproduzieren diese? Und wie könnte eine widerständige Beratungs- und Bildungspraxis aussehen, die weniger systemstabilisierend, sondern kritisch, feministisch, antirassistisch, dekonstruierend und solidarisch ist?

 Die Veranstaltung soll einen Rahmen bieten, um sich im Geflecht von (postkolonialen, rassistischen und epistemischen) Macht-, Gewalt- und Ausbeutungsverhältnissen mit der eigenen Rolle als Pädagog*innen und Berater*innen/Sozialarbeiter*innen auseinanderzusetzen.

 Gergana Mineva und Rubia Salgado (das kollektiv / maiz) das kollektiv ist eine Organisation von und für Migrant*innen in Linz/Oberösterreich; es ist ein Ort der kritischen Bildungsarbeit, des Austausches, des Widerspruchs und der gemeinschaftlichen Gestaltung. Wir sind u.a. in der Erwachsenenbildung mit migrierten und geflüchteten Frauen* tätig, die am wenigsten über Privilegien verfügen. In das kollektiv wird seit 2015 die Bildungsarbeit von maiz fortgeführt.

Annita Kalpaka, Prof. i. R. an der HAW Hamburg, in den 1980er- und 1990er-Jahren aktivistisch tätig in antirassistischen und migrantisch-feministischen Frauenbewegungen und bei dem Aufbau gemeinwesenorientierter Stadtteilzentren und Antidiskriminierungsbüros in Hamburg. Zu ihren Schwerpunkten gehören u. a. Migrations- und Rassismusforschung, Rassismustheorien, Subjekttheorien, Lerntheorien vom Subjektstandpunkt, politische Bildungsarbeit, subjektbezogene Konzepte der Erwachsenenbildung.

Kathrin Röggla im Interview über das Betrachten und Aushandeln als demokratisches Grundmoment

Worum geht es im Kern in Ihrem Stück?

Im Stück geht es gar nicht so sehr um den realen, historischen NSU-Prozess, sondern um die Perspektive der Gerichtsöffentlichkeit, die nicht unmittelbar beteiligt ist, um die Erwartungen, die Hoffnungen, also die Beurteilung des Prozesses von außen durch diejenigen, die nicht direkt verwickelt waren. Die direkt Betroffenen fragten sich natürlich auch: Warum musste mein Vater, mein Bruder, mein Sohn sterben? Wie kam es dazu, dass das nicht verhindert wurde? Und alle stellen die letztlich ganz konkrete Frage: Wie kann es sein, dass diese Terroristen 13 Jahre lang mordend und bombend durch Deutschland ziehen konnten, unentdeckt? Ja, wo leben wir denn eigentlich? – Was kann das Gericht also in so einem Fall ausrichten? Was erwarten wir, dass es ausrichten solle?

Warum ist das Gericht in der Öffentlichkeit so wichtig geworden als Ort der Wahrheitsfindung?

Zunächst einmal sagt diese Hoffnung aus, dass es ein Versagen aller anderer aufklärerischen Instanzen ist – ob in der polizeilichen Ermittlung oder in der Berichterstattung – das ein Misstrauen gegenüber den Medien und den Behörden geschürt hat und dadurch letztlich auch gegenüber dem politischen Prozess. Das Gericht gilt vielen noch als letzter neutraler Ort, der vermeintlich über den Dingen steht. Und durch seine Autonomiebestrebung auch als nicht in ideologische Kämpfe verwickelt, die die Gesellschaft derzeit spalten.

Was war die Grundmotivation für dieses Stück?

Zum einen der konkrete Gerichtsbesuch. Ich war in den letzten beiden Gerichtsjahren zahlreiche Male dort und war doch sehr erstaunt über die soziale Situation und das Procedere dort, selbst für gerichtserfahrene Personen war das schon eigentümlich. Das gibt es ja nicht oft, fünf Jahre Strafprozess, der partout kein politischer Prozess sein möchte mit diesen gewaltigen Hindernissen. Darüber hinaus interessiert mich das Gericht als gesellschaftlicher Ort. Das Juristische als Herrschaftstechnik wie als politischer Hebel. Seine Behauptung als autonom ist demokratietechnisch sehr spannend.

Inwiefern?

Weil es uns erzählt, dass wir eine Sehnsucht nach Neutralität entwickelt haben, nach einer Instanz, die vermeintlich über den Dingen steht. Das Gericht gibt sich als unpolitisch, und ist das historisch gesehen auch relativ, aber keine demokratische Instanz kann sich ganz frei vom Politischen machen. Gerade bei einem Prozess, der sich mit rechtsextremem Terror auseinandersetzt, wirkt dieser Versuch mehr als bizarr.

Wie hat es sich in den Anfängen und wie seit damals entwickelt?

Ich habe im Umfeld des Prozesses mit einigen Menschen gesprochen, die direkt verwickelt waren in den Prozess und mit zahlreichen, die das beobachtet haben, oder für die Untersuchungs-ausschüsse gearbeitet haben, auch mit Medienvertreter*innen. Ich habe sehr sehr viel dazu gelesen, weil es ein unglaublich rechercheintensives Projekt war. Aber so etwas darf den Theaterabend dann ja nicht ersticken. Dass man vor lauter Details nicht mehr weiß, worum es eigentlich geht. Es war insofern ein ständiges Hineintauchen in das durchaus sehr komplexe Geschehen und wieder Abstand nehmen, auf der Suche nach einem eigenen Punkt. Was hat das mit mir zu tun? Warum fasziniert mich das? Wo schockiert es mich? Wer bin ich, die ich darüber schockiert sein kann? Ganz konkret habe ich den ersten Entwurf 2019 bis Anfang 2020 geschrieben und es dann, als die Pandemie seine Uraufführung verhinderte, liegen gelassen. Vielleicht war das gar nicht so schlecht. Denn als ich es im Herbst 2021 wieder in die Hand nahm, hat sich nicht nur gesellschaftlich einiges verändert, ich hatte auch einen anderen Abstand zum Prozessgeschehen und habe noch viel daran gearbeitet. Mir wurde klar, dass es hier mehr um einen Kampf um demokratische Werte geht, als ich 2019 noch angenommen hätte.

Ensemble | Foto: Martin Kaufhold

»Verfahren« ist bei aller kritischen Betrachtung des betreffenden Strafprozesses unbedingt als Plädoyer auf Rechtsstaatlichkeit zu lesen. Können Sie das noch etwas weiter ausführen?

Wir leben in einer Zeit, in der Rechtsstaatlichkeit sehr angezweifelt wird, und gerade deswegen hielt ich es für eminent wichtig, sehr deutlich zu machen, dass sie aber die Basis der Demokratie darstellt, und ich mich nicht auf die Seite derer stellen möchte, die da leichthin diese wichtige Errungenschaft in Frage stellen. Dass die Verfahren hier nicht sehr weit reichen konnten, darf man den Verfahren nicht alleine anlasten, sondern sollte sich vielleicht um Alternativen der Aufarbeitung kümmern, oder sich an die Behörden wenden, die direkt Mist gebaut haben. Dennoch muss Kritik auch am Prozess möglich sein, auch aus Laien perspektive, denn das Gericht hat nicht umsonst eine Gerichtsöffentlichkeit. Es gibt da keine einfachen Antworten.

Ihre Gerichtsöffentlichkeit hat daher auch nicht nur eine Stimme.

Ja, die Multiperspektive ist ja eine ureigenste Theaterangelegenheit. Wo es Figuren gibt, gibt es verschiedene Perspektiven. Bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Verbrechen des NSU ist es natürlich klar, dass das Prozessgeschehen spalten muss, weil es den Erwartungen durch die Art des Verfahrens nicht gerecht werden konnte. Zuviel wurde versäumt in dem ganzen Ermittlungsvorgang, der ja schon viel früher ansetzt als der Prozess. Das war ja ein 13-jähriges Leben im Untergrund. Die Versäumnisse erzählen uns sehr genau, wo Bruchstellen in unserer Gesellschaft sind: Institutioneller Rassismus, ungenügende Zusammenarbeit der Behörden, Verwicklung der Behörden durch die Art der Arbeit, zu unklare Durchsetzung demokratischer Standards, kein Schutz der wirklich Schutzbedürftigen. Da könnte jede Figur eine andere Geschichte erzählen. Insofern muss es die Multiperspektive hier geben. Die richtet sich natürlich auch in die Zukunft. Was erhoffen wir, und mit wem sprechen wir eigentlich, wenn wir Kollektiv sagen? Das ist derzeit sehr unterschiedlich.

Ensemble | Foto: Martin Kaufhold

Inwiefern hat die Pandemie sich auf den Stoff ausgewirkt – mit welcher Gesellschaft haben wir es verglichen mit damals und bezogen auf den »Verfahren«-Stoff heute zu tun?

Das Erschütternde ist, dass gesellschaftliche Spaltung so drastisch vorangeschritten ist. Rechtsextremismus konnte sich normalisieren, ihre Vertreter*innen marschieren Seite an Seite mit Kritiker*innen der Coronapolitik der Regierung. Es herrscht doch einiges mehr an Misstrauen gegenüber den gewählten Politiker*innen und insofern gegenüber dem »System«, was auch immer damit im konkreten Fall gemeint ist, und somit eine pauschalisierende, antisemitisch konnotierte Vorwurfshaltung. Es wird nicht mehr genau hingesehen, sondern immer »die Medien« oder »die Politik« verurteilt und dann mit drohendem Vokabular versehen – hate mails gehören ja heute zur Tagesordnung. Aber Gottseidank, und das muss man auch sagen, geht es noch nicht in eine reale Mehrheit oder eine wirklich relevante gesellschaftliche Größe hinein, es ist eine Minderheit, die sehr laut aufzutreten versteht. Aber das ist gefährlich, weil die den medialen Diskurs vor sich hertreibt und auch sprachlich den Diskurs verändert.

Welchen Umgang mit Ihrem Stück wünschen Sie sich?

Es ist ein Stück, das Balance benötigt. Nicht nur zwischen den Positionen, sondern auch zwischen ästhetischen Mittel. Mut zur Länge wäre hier angebracht. Es ist ein Stück, dass es auch mit dem Nachdenken über das Publikum aufnimmt: Wer sind wir hier als Zuschauer*innen? Es wäre schön, wenn die Komik zum Vorschein käme, die auch darin liegt. Denn ohne sie sind wir verloren.

Das Interview führte Bettina Schuster-Gäb.

In einem Zeitraum von zwei bis vier Monaten betreiben 20 Künstler:innen seit Januar künstlerische, ergebnisoffene Forschung in Recherchen, Laboren oder Konzeptentwicklungen. Unter den Personen in Residenz sind diesmal auch Absolvent:innen künstlerischer Studiengänge. Der Fonds Darstellende Künste setzt im Rahmen von NEUSTART KULTUR das Förder-Modul für Künstler:innen fort, die im Netzwerk Freier Theater organisiert sind. Hier ein Überblick der Künstler:innen und ihrer Arbeiten:

Gruppe CIS – Die Gruppe – Das holistische Nest

1.1. -28.2.

Studien zum Gruppenverhalten bei Orkas zeigen, dass das Selbstbewusstsein des Einzelnen auf alle Individuen innerhalb einer Gruppe verteilt ist. Wie entsteht so ein Gruppenbewusstsein? Welche Strukturen produzieren welche Formen der Zugehörigkeit? Wie organisiert sich eine Gruppe immer wieder neu, um sich zu erhalten? Zur Sichtbarmachung von Gruppenprozessen hat sich im Laufe der Recherche Wasser als interessanter Ausgangsstoff herauskristallisiert. Ähnlich wie Wasser durchlaufen auch Gruppen unterschiedliche „soziale“ Aggregatzustände von flüssigen, festen oder gasförmigen Dynamiken. Gruppe CIS sucht nach diesen Verhältnissen zwischen Raum, Körper und Erzählungen, die eine Gruppe Mal fluide strömen, Mal chaotisch verdampfen oder kalt erstarren lassen. Um daraus performative Strategien zu entwickeln, agiert Gruppe CIS diese Zustände einerseits spontan improvisiert, andererseits entlang eines Regelwerks ritualisiert aus.

Alexander Sowa – Der Rote Süden

1.1. – 28.2.

Alexander Sowa erforscht die Geschichte des Stuttgarter Südens als Arbeiter:innen-Viertel und Zentrum kommunistischer Widerstandskämpfer:innen. Für diesen Teil der Geschichte ist die Stadt unbekannt, denn heute sind diese Spuren fast verschwunden. Um dem Vergessen der Akteur:innen und ihres wichtiges Einsatzes entgegenzuwirken, gilt es ihre Geschichten herauszufinden und nachzuzeichnen.

Justyna Koeke – Power of Flowers

15.1. – 15.3.

Justyna Koeke erforscht die Verwendung von Blumen für Kostüme. Die Auswirkung des Zusammenspiels von Körper und Bewegung auf die Blumen, der Prozess der Veränderung im Verblühen steht dabei im Fokus. Die Vanitas-Symbolik der verwelkenden Blumen soll Ausgangspunkt für eine feministische Forschung zu einer Auseinandersetzung mit dem alternden weiblichen Körper sein.

Magda Agudelo – Pusteblume Löwenzahn

1.2. – 31.3.

Was hat dazu geführt, dass manche Pflanzen, die besondere kurative und nahrhafte Eigenschaften haben, heutzutage nur als Unkraut wahrnehmen werden? Welche gesellschaftlichen Änderungen und Gewohnheiten führten dazu? „Pusteblume Löwenzahn“ skizziert performative Ideen über lokale Pflanzen und setzt sich dabei mit Gegensätzen und Ergänzungen vom akademischen und volkstümlichen Wissen auseinander.

Das Theater Rampe kann 20 Künstler:innen aus seinem Umfeld diese #TAKEHEARTRESIDENZ ermöglichen und begleiten.

Robert Atzlinger – Auf dem Kompost erfindet sich der Kürbis neu

1.3. – 30.4.

Die Pflanzenpopulation von Kleingärten soll erfasst werden, um Landkarten zu erstellen, die die Exemplare verorten sowie ihre Herkunft und Migration aufzeigen. Wie begegnen sich heimische und eingewanderte Exemplare? In die Gartengrundrisse fließen Erzählungen der Gartennutzer:innen ein: Die Vorgeschichten der Pflanzenexemplare, der persönliche Bezug, und die jeweilige Gartenphilosophie.

Anna Gohmert – Gescheite(rte) Familienplanung 

1.3. – 30.4.

„Gescheite(rte) Familienplanung“ ergründet, wann und warum von einer erfüllten oder unerfüllten Familienplanung gesprochen wird. Was wird kommuniziert und was wird verdrängt, runtergeschluckt, kaschiert oder gedeckelt? Sie widmet sich dem verwendeten Vokabular, wie und von wem die Familienplanung rezipiert wird.

Rafael Ossami Saidy – Bin Laden, mein Vater und ich (AT)           

1.3. – 30.4.

Ausgehend vom 11. September 2001 befragt Absolvent Rafael Ossami Saidy den deutschen Migrationsdiskurs. Schwerpunkt ist die Parallelität des „Kampfes gegen den Terror“ und die gleichzeitige Herausbildung des „Menschen mit Migrationshintergrund“, der nicht mehr „Ausländer:in“, aber auch noch nicht Deutsche:r zu sein scheint. Es entsteht ein multimediales und intertextuelles Panorama.

Jonas Bolle Handlungs(un)fähigkeit

 1.4. – 30.07.

Jonas Bolle setzt sich mit dem Paradox auseinander, wie Handlungsansätze in Situationen der Ohnmacht aussehen könnten. Wie kann eine offene und diskriminierungssensible Arbeitsweise als die genuine Arbeitskultur an Theatern etabliert werden, die Freiheit in der künstlerischen Praxis überhaupt erst ermöglicht?

Yolanda Gutierrez – Erinnerungsort Theater

1.4. – 31.05.

Der Erinnerungsort Theater – es befasst sich mit der Erinnerung, die wir an das Theater haben, wenn es nicht mehr da ist. Vorübergehend erfuhren wir als Gesellschaft während des Pandemie-Lockdowns, was es heißt, ohne Theater zu leben. Als Ort der Sehnsüchte und Erlebnisse wurde es vermisst. Was bleibt von dieser Erinnerung? Und was bedeutet Theater für unseren Alltag?

Klemens Hegen (Absolvent*in) – APOLOGETIC                                                        

1.4 – 31.07.2022

Absolvent Klemens Hegen untersucht Entschuldigungen von Cis-männlichen Personen und deren Bezug zu Männlichkeitskonstruktion und Feminismus anhand von persönlichen Reflexionen, Interviews und Literaturrecherche. Im Zentrum stehen Fragen nach den Elementen sorgsam und verantwortungsvoll formulierter Entschuldigungen, die zur positiven Transformation von Männlichkeitsbildern beitragen könnten.

Fender Schrade – Abschiedmusik

1.4. – 31.5.

Klang ist eine Tür zur Transformation. Mittels des 392, einem Musikinstrument und einer Technologie, um Künstler:innen verschiedener Genres gemeinsam sichtbar und hörbar zu machen, sollen Rituale des kollektiven Abschiednehmens erforscht werden. Dazu werden Performancenachlässe, aber auch zeitgenössische Spielorte und Arbeitsmittel sonisch untersucht; mit dem Ziel, Abschied als kreativen Teil eines Erneuerungsprozesses zu begreifen.

Lajos Talamonti – Wegen Tod vorübergehend geöffnet

 1.5. – 30.06.

„Wegen Tod vorübergehend geöffnet“ wird das Verhältnis der Affluent Society mit dem Tod erforschen, der gesellschaftlichen Dimension des Sterbens als verdrängter lebensbegleitender Aufgabe. Das Sterben deckt den Fehler im Betriebssystem Moderne auf: die Erwartung der Vermeidbarkeit macht das Sterben inakzeptabel. In der Hochburg der Arbeitsethik Stuttgart wird Loslassen und Vergessen geübt.

Kathrin Krumbein – TROSTN

1.7. – 31.08.

Wo soll ich die Tränen denn hin tun in dieser Stadt? Die Recherche legt die dramaturgische Grundlage im Hinblick auf neue Riten in bezug auf Abschied und Heilung, Entlastungs- und Troststrategien im öffentlichen Raum und begibt sich auf die Suche nach den Dehnungsfugen in der Struktur der Stadtgesellschaft, die den Prozess der Resilienz begünstigen.

Herbordt/Mohren Sprechstunde – eine künstlerische Sprechstunde

1.3. – 30.4.

Die künstlerische Recherche begibt sich in das Spannungsfeld praktischer Institutionenkritik und Kunstritual. Strategien des Teilens von Ressourcen, Wissen und Gegenwart sollen hier verflochten werden mit den Reflexionen um ein institutionelles Vermächtnis. Wie sind biografische Entscheidungen mit denen von Institutionen verbunden? Wovon berichten sich Institutionen, Nachbar:innenschaft, Kunst und Einzelpersonen? Wer analysiert? Wer wird analysiert? Was bleibt?

Julian Carly (Absolvent*in) – Aufarbeitung kollektiver Traumata einer Kindheit vorm Fernseher    

1.5. – 30.6.

Julian Mahid Carly untersucht alte TV-Formate seiner Kindheit und interessiert sich dabei für Details, Sehgewohnheiten und Anomalien, die ihn und sein künstlerisches Schaffen prägen. Als Fan, angehender Laiendarsteller, Drehbuchautor und Wutanfallhaber dekonstruiert er Bewegtbilder einer vergangenen Zeit um herauszufinden, wie man mit ihren toxischen Altlasten szenisch produktiv umgehen kann.

Amanda Lasker-Berlin (Absolvent*in) – Im Müden und im Stillen gelingen Heldinnen am besten auf Papier

1.5 – 30.6.

„Wer hat dafür gekämpft, dass ich lesen und schreiben lernen durfte, wer dafür, dass ich wählen kann, wer dafür, dass ich studieren durfte? Wer waren die Frauen, die für mich gekämpft haben und die ich nicht verehre, weil ich nie von ihren gehört habe?“, fragt Amanda Lasker-Berlin und macht sich auf die Suche nach verblassten Spuren, um daraus Altäre und Luftschlösser zu bauen  

Andreas Vogel – Wechselwirkungen von Theater und Livepräsentation von Pop- und Rockmusik

1.6. – 31.7.

In Gesprächen mit diversen Kulturschaffenden aus Theater und Live-Popmusik will Andreas Vogel der Frage nachgehen, wie die unterschiedlichen Perspektiven auf die jeweils andere Kunstform sind und für was sie stehen. Es soll ein Archiv aus Interviews und Filmbeispielen entstehen, das die Differenzen und Übereinstimmungen von Theaterinszenierungen und Pop-Events ab- bzw. herausbildet.

#takeheart

Gemeinsam mit der Prozessbegleiterin Handan Kaymak arbeitet die Rampe seit April 2021 für die verbleibenden zwei Jahre bis zum Leitungswechsel an Themen wie Machtstrukturen, Rassismus, Klassismus und generellen Öffnungsprozessen. Wir, die Arbeitsgruppe „Rampe23“, bestehend aus Anna Bakinovskaia, Paula Kohlmann und Kathrin Stärk, wollen unsere Erfahrungen aus dem Prozess in diesem Blogbeitrag mit euch teilen. 

Seit einem Dreivierteljahr beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, wie konsequente Öffnung eines Theaters unserer Größe gelingen kann. Wir tun dies am Beispiel des Ausschreibungs- und Findungsprozesses der neuen Leitung 2023. In den vergangenen Monaten haben wir erfahren, wie die Arbeit an diesem Projekt direkt in unser alltägliches Tun am Theater einfließt. 

Jeden Monat treffen wir uns als Arbeitsgruppe für eine ca. fünfstündige Sitzung mit Prozessbegleiterin Handan Kaymak. In diesen Sessions lernen wir, welche festgefahrenen Denkmuster wir in unseren Überlegungen immer noch verankert haben und wie wir täglich daran arbeiten und üben müssen, andere Perspektiven miteinzubeziehen.

Gleichzeitig sind diese Treffen ein geschützter Raum, in dem wir unsere eigenen Unsicherheiten, Erfahrungen, Wahrnehmungen und offenen Fragen teilen können. Denn eine Frage schwingt immer mit: Was haben allgemeine Gerechtigkeitsthemen mit unserem Umgang untereinander zu tun? Natürlich verändern sich durch solche Reflektionen auch gewisse Abläufe im Team. Einiges hat sich seither schon verändert, zum Beispiel fallen uns zunehmend eigene Verhaltensmuster oder unserer Kolleg*innen auf. Wir merken auch, dass wir bestimmte Erwartungen, die an den Öffnungsprozess gerichtet werden, nicht erfüllen können.

Was am offensichtlichsten ist: Die Auswirkungen dieses Prozesses sind erstmal eine Irritation, eine Störung. Denn es kommt jemand von außen dazu und sagt: Wieso laufen diese Dinge so-und-so? Wer hat das festgelegt, wer darf das entscheiden? Schaut hier nochmal genauer hin. Und das versuchen wir. Wie schwierig, anstrengend, zäh, mühsam und frustrierend das manchmal sein kann, hätten wir uns zu Beginn nicht vorstellen können.

Wir sind ein kleines Team von 14 Personen, die allesamt –  zwar auch kurz skeptisch – aber dann offen und bereit für diesen Prozess waren und sind.

Der Versuch, Dinge zu verändern, bedeutet ein ständiges Ankämpfen gegen ein System, das sich mit aller Kraft selbst zu erhalten versucht – in Form von ungeschriebenen Regeln, von Gewohnheiten, von Argumenten wie „Das war bisher immer so”, die fest in uns allen verankert sind. Es raubt Kapazitäten, sich diesen Denkmustern zu stellen und andere Dinge bleiben liegen. Diese Arbeit beansprucht viel Zeit. Wieviel Zeit? Zu viel Zeit?

Zum Prozess gehört auch, dass wir immer wieder die Erwartung enttäuschen müssen, dass nach so vielen Monaten nun endlich die richtigen Maßnahmen aufgesetzt und umgesetzt werden können. Damit sich WIRKLICH etwas ändert. Damit etwas sichtbar wird. Es ist nur so: Die Veränderung hat längst begonnen. In unseren Köpfen. Das ist nicht immer sofort erkennbar, zumindest nicht für Kultureinrichtungen, die sich als politisch begreifen und die es gewohnt sind, Ergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Botschaften zu teilen, die sich in Ausstellungstiteln manifestieren, auf Bannern gedruckt an die Fassade gehängt oder in einer Publikation verewigt werden. Institutionen, die ihre kritische Haltung auf der Bühne in Glitzerschrift oder auf Podiumsdiskussionen gut eingebettet in den aktuellen Diskurs verkünden.

All das ist gut, aber es lenkt ab von der eigentlichen Veränderung, die nötig ist:

Welche Diskussionen dazu hinter den Kulissen stattfinden, wird oft nicht öffentlich besprochen, weil diese Geschichten von Unsicherheit, Verletzbarkeit und Scheitern erzählen. Sich Zeit zu nehmen für solche Reflektionen ist schwierig, denn das Arbeitspensum in Kultureinrichtungen ist überall hoch. Auch wir schaffen es noch nicht, unseren Kolleg*innen regelmäßig von unseren Lernprozessen zu berichten, sie einzubinden und mitzunehmen.

Wie kann Transparenz passieren? Wie können wir unsere Erfahrungen unseren Kolleg*innen näher bringen? Dafür nötig sind Zeit, Aufmerksamkeit und Verantwortung. Was wir versuchen zu teilen: Unser Auf-der-Suche-sein, immer wieder neu justieren, neu hinterfragen. Und immer wieder erinnern: Es gibt keine Checkliste, wir können nicht wissen, was wir alles lernen müssen. Nur immer wieder erkennen, was wir noch nicht wissen.

Dies haben wir auch bei der Veranstaltung “IF YOU GOT IT, GIVE IT – öffentliche Beratungen und Diskussionen zum Leitungswechsel” getan. Zusammen mit unserem Kolleg*innen und externen Gästen, die Inputs zu Themen wie unsichtbarer Barrieren, Rassismen und neuen Leitungsmodellen gegeben haben. Viel Publikum war da, aus Stuttgart, aber auch von außerhalb: uns bisher unbekannte Kolleg*innen aus Kultureinrichtungen, in denen auch Leitungswechsel stattfinden, die sich ähnliche Fragen stellen. Dieses Interesse, der Austausch und die Diskussionen, das Feedback und die offenen Fragen haben uns als Theater Rampe bestätigt, wie wichtig es ist, im Prozess um Veränderung dranzubleiben.

Hier findet ihr die Protokolle von “IF YOU GOT IT, GIVE IT – öffentliche Beratungen und Diskussionen zum Leitungswechsel”:

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Nach einem langen Recherchesommer durch niedersächsische Fleischgefilde entstand im Rahmen der FREISCHWIMMEN-Residenz am Theater Rampe die konkrete Vision und Dramaturgie für unsere interaktive Fest-Aufführung FLEISCH. Aus unzähligen Stunden Audiomaterial von Gesprächen mit Schweinebauern, Fleischarbeiter*innen, Zukunftsforschenden oder Grillmeistern sammelten wir unsere Perlen und zentralen Fragestellungen zusammen um sie auf der Probebühne auszubreiten und aus ihnen schlau zu werden. 

“Fleischfragen sind Beziehungsfragen!” / War Prometheus eigentlich der erste Grillmeister, als er den Menschen das Feuer brachte? / Klee ist das neue Beef des starken Mannes! / “Es ist das Schicksal des Menschen, das er von getöteten Seelen lebt.” 

Bei einem Teamausflug ins Fleischermuseum in Böblingen spielten wir leider kein Wurstaufschnitt-Memory, sprachen dafür aber viel mit Museumsleiter Christian Baudisch, zum Beispiel über den Humor, den es braucht, um verschiedene Meinungen zu einem polarisierenden Thema wie FLEISCH zu versammeln; im weltgrößten Schweinemuseum wühlten wir uns durch mehrere Etagen Schweinewelten, um danach Käsespätzle im ehemaligen Schlachthof zu essen, an einem sinnlichen Grill-Nachmittag versuchten wir uns selbst im Wursten, kochten vegane Blutsuppe, übten einen Schlacht-Fest-Kanon und entwickelten Strategien für den Umgang mit den Interview-Audios. Zwei intensive und produktive FLEISCH-Wochen sind zu Ende, danke an das Theater Rampe und bis bald! 

Das Fleischermuseum in Böblingen

Bei WUNDERLAND begeben sich die apokalyptischen tänzerin*nen gemeinsam mit der feministischen Influencerin Alice auf einen musikalischen, performativen Roadtrip. Im folgenden beantwortet das Kollektiv einige Fragen zum Stück.

Mit diesem Stück geht die Zusammenarbeit des Kollektivs mit Mugetha Gachago (*2009) in die dritte Runde. In diesem ersten Stück des Stuttgarter Autors steht der Ort Wunderland im Mittelpunkt. Dort ist nichts, wie es scheint und vieles ver-rückt. Ver-rückt ist hier ganz wörtlich gemeint – etwas aus dem Zentrum verschoben, nicht ganz zentriert. Gemeinsam mit der Komponistin Sara Glojnarić entwickelt Gachago eine, das Bühnengeschehen begleitende, unterwandernde, überschreibende, Symphonie des Alltags.

Was können die Zuschauer*innen vom Stück erwarten – eine moderne Alice-im-Wunderland-Geschichte?

Es steckt natürlich viel mehr dahinter. Für WUNDERLAND leiht sich der Autor Mugetha Gachago Figuren und Teile der Handlung des Weltbestsellers „Alice im Wunderland“. Er überschreibt diese Vorlage mit neuen Assoziationen, reichert sie an, um auf der Schablone etwas über das Erleben der Realität zu erzählen. Gachagos Text stellt binäre Moralvorstellungen in Frage. Gut und Böse werden ad absurdum geführt und in ihrer Antiquiertheit entlarvt.

 Woher stammt die Idee für dieses Stück?

Das ist unsere dritte Zusammenarbeit mit Mugetha Gachago und die erste bei der er als alleiniger Autor auftritt. Zurück geht diese Aufteilung auf ein Gespräch nach following mo, einem subjektiven Stadtspaziergang durch Stuttgart, bei dem sich Mugetha Gachago als Autor zu erkennen gab. Wir, die apokalyptischen tänzerin*nen hatten bis dahin noch nie mit einer externen Autorin*nen Position zusammengearbeitet und diese Erfahrung reizte uns. Gachago traf die Wahl, „Alice im Wunderland“ zu bearbeiten und entschied sich aber von vornherein für WUNDERLAND als Titel, um zumindest subtil zu erkennen zu geben, dass es sich um eine Bearbeitung handelt.

Wie kam die Zusammenarbeit mit Mugetha Gachago zustande?

Wir haben uns im Rahmen eines Kostümworkshops kennengelernt. Für unser Projekt forever apocalyptic (2018), haben wir Kinder eingeladen, Kostüme von ausgestorbenen Tieren für uns zu designen. Mugetha Gachago hat die Vorgabe sich als Art Director zu sehen direkt verstanden und entsprechend Aufgaben sehr gut delegiert. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und so kam es dann zu dem Projekt following mo.

In der Stückbeschreibung heißt es, WUNDERLAND sei aus dem Zentrum verschoben und nicht ganz zentriert. Was ist damit gemeint?

Einer der ersten rahmengebenden Sätze, die Mugetha Gachago mit uns geteilt hat zu Wunderland war: „Nichts ist, wie es scheint.“ Damit ist gemeint, dass nichts eins zu eins unseren Erwartungen entspricht, gut ist mindestens genauso viel böse, und manche Dinge stehen einfach Kopf, zumindest im Verhältnis zu unserer Realität – denn in Wunderland ist Autofahren etwas richtig Gutes.

Welchen Sinn hat die Blume des Lebens im Stück, die hier Gegenstand der Suche ist.

Von der Blume des Lebens ist das ganze Leben Wunderlands abhängig. Dementsprechend gibt es ein übersteigertes Interesse an ihr. Die Suche nach ihr treibt die Geschichte voran. Gleichzeitig führt sie ein ausschweifendes Eigenleben, ist Mutter und hält den Burger-Rekord.

Für welche Zielgruppe ist WUNDERLAND?

Die Anfangszeiten sind sehr unterschiedlich, weil wir ein möglichst breit aufgestelltes Publikum ansprechen wollen. Die Altersempfehlung ist ab 10 Jahren, aber das Stück ist nicht explizit oder ausschließlich für Kinder. Außerdem gibt es am 4. Dezember vor der Vorstellung eine Bühnenbegehung/Touchführung und einen Artist Talk für blindes und sehbehindertes Publikum.

Foto: Dominique Brewing

In Koproduktion mit FREISCHWIMMEN – eine Plattform für Performance und Theater von brut Wien, FFT Düsseldorf, Gessnerallee Zürich, HochX München, LOFFT – DAS THEATER Leipzig, Schwankhalle Bremen, Sophiensæle Berlin und Theater Rampe Stuttgart. In Kooperation mit dem Theater Rampe und dem Theaterhaus Stuttgart.

Freischwimmen

Skizzen aus dem Protokoll der Veranstaltung IF YOU GOT IT, GIVE IT: Prozessbegleiterin Handan Kaymak im Gespräch mit 360-Grad-Agentin Leyla Ercan

Handan Kaymak: Lass uns über Ausschreibungsprozesse sprechen, wie können solche auf mehr Teilhabe ausgerichtet werden? Und warum ist das überhaupt wichtig?

Leyla Ercan: Es gibt in ganz Deutschland sehr spezifisches künstlerisches Personal, welches traditionell aus einem eng begrenzten Milieu kommt. Dieses bringt sehr viel Kapital mit, wurden schon früh kulturell etc. sozialisiert. Dieses Personal gestaltet ein sehr spezifisches Programm, sehr bildungsbürgerlich durch einen elit. Kunst und Kulturbereich. Zieht bestimmtes Publikum an, diese ziehen weiteres an. Teufelskreis des Theaters. Das Publikum ist wahnsinnig homogen und hat sehr spezifischen Habitus, 5-7% der Ges. sind dieses Publikum. Dort hat sich nichts verändert, seit Jahrzehnten.  Personal hat damit viel zu tun: Who you hire is who you become.

In den höchsten Posten muss sich etwas ändern, damit sich Intendanz-zentrierte Einrichtungen weiterentwickeln können. Intendanzen müssen aufgrund ihrer Entscheidungsgewalt gut ausgewählt werden. Es wird immer mehr gefordert, das können wenige Menschen erfüllen: Management, künstlerisches Denken, Personalführung, Kulturpolitik, P&Ö… Infrage stellen: welche Kompetenzen werden erwartet und welche sind tatsächlich grundlegend. Stärker abfragen, welche davon vorhanden sind.

Stellschrauben hierfür wären, Leitungsmodelle überdenken: Teamleitung… Intendanzuntypische Lebensläufe und Karrieren, Diversitätskompetenzen sind Zukunftskompetenzen! Weg von symbolpol. Ansätzen, wirtschaftl. Motivierten Ansätzen, deswegen: Strukturwissen abfragen!

Andenken für weiteren Theater Rampe Prozess: Kriterien Checkliste entwerfen und sie dann auf Kandidaten* auswerten, Modell für frühes on-Boarding, diskriminierungsbewusste Gestaltung des Prozesses.

Fragen aus dem Publikum:

Gast: Wo veröffentlicht man solche Ausschreibungen? Damit sie mehr Menschen erreichen, wenn man keine großen Verteiler hat.

Handan Kaymak: Nur dort verteilen, wo es Interesse und Schutzraum für diversere Intendanzen und Mitarbeitenden etc. gibt. Nicht nur vorn herum veröffentlichen, sondern sich die Zeit nehmen, Leute einzuführen und Codes so formulieren, dass sie BIPoC etc. ansprechen – dann werden mehr darauf aufmerksam, weil sie den unterschwelligen Ton hören.

Leyla Ercan: Auch Quereinsteiger* einladen und dann das Commitment haben, dabei zu bleiben und dieses Interesse zu halten: Entscheidungsträger müssen festlegen, ob sie viel Erfahrung und eine kurze Übergangszeit möchten, oder auch diverse Menschen aufnehmen und ihnen den Raum geben, zu lernen.

Gast: Die Institutionen, die sich in diese Prozesse begeben, sind oft sehr weiß, das kann für Bipoc hart sein. Wie kann es gelingen, dass diese nicht zu „Token“ werden?

Handan Kaymak: Bipoc-Person hat oft „zusätzlichen Job“ aufgrund ihrer Erfahrung mit Marginalisierung. Radikaler Entscheidungsschritt muss sein: wir schaffen erst einen Schutzraum, dann holen wir jemanden. Es gibt keine strengen Konzepte dazu, sondern etwas muss im Voraus erarbeitet werden, um zu funktionieren. Man übernimmt eine Verantwortung, einen Arbeitsplatz ohne Diskriminierung zu bieten.

Leyla Ercan: Quoten helfen dabei, Minderheiten nicht auf ihre Minderheitsmerkmale zu reduzieren, sondern sie als kompetente Mitarbeiter* zu sehen. Unterrepräsentanz vermeiden.

This piece (which will premier at Theater Rampe on October 28, 2021), like a lot of work being shown at the moment, was written for the most part during the pandemic, which in my case at times lent the research and writing a kind of hallucinatory dérive. The fictional premise is built upon a big patchwork of thoughts and quotes, stitched together more than anything by the spirit of one of Marguerite Duras’ last novels, Summer Rain (excerpts below in bold). 

– Ant Hampton – September 2021

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Cest très…. très difficile à exprimer, Monsieur, je mexcuse…  ce que je peux dire cest que nous sommes des enfants dune façon générale, vous voyez.

„It’s very…. very difficult to express, sir, I apologise… what I can say is that we are children in a general way, you see.“

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In Wenders’ film ‘Der Himmel über Berlin’ (Wings of Desire), the angels walk around observing us, collecting anecdotes from our daily lives, and meeting in car showrooms to share their notes with each other.  As they move around, they’re invisible – but not to children. It’s like the kids are their easygoing allies, with eyes, feet and agency in both real and spiritual spaces. And yet, in a kind of corollary to the angels’ inability to experience anything more than a view onto mortal life, we know that kids usually don’t get to pull the levers in how society works (the starting point for Darren O’Donnell’s great book ‘Haircuts by Children’, quoted at the beginning of Two Adults and a Child). I started to imagine today’s children gathering, like the angels, and tried to imagine what their notes might be like.

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Ernesto était censé ne pas savoir encore lire à ce moment-là de sa vie et pourtant il disait quil avait lu quelque chose du livre brûlé. Comme ça, il disait, sans y penser et même sans le savoir quil le faisait, et puis quensuite eh bien quensuite, il ne s’était plus rien demandé ni sil se trompait ni sil lisait en vérité ou non ni même ce que ça pouvait bien être, lire, comme ça ou autrement. Au début il disait quil avait essayé de la façon suivante : il avait donné à tel dessin de mot, tout à fait arbitrairement, un premier sens. Puis au deuxième mot qui avait suivi, il avait donné un autre sens, mais en raison du premier sens supposé au premier mot, et cela jusqu’à ce que la phrase tout entière veuille dire quelque chose de sensé. Ainsi avait-il compris que la lecture c’était une espèce de déroulement continu dans son propre corps dune histoire par soi inventée.

At this point in his life Ernesto was not yet supposed to be able to read, however he did say that he’d read something from the burnt book. Just like that, he said, without thinking about it, without even knowing he was doing it, and that afterwards, well, afterwards, he didn’t ask himself whether he was wrong, or whether he was really reading or not, or even what it might be, to read, like this or otherwise. At first he said that he’d begun like this: he would assign, to any given outline of a word, quite randomly, a first meaning. Then he gave the second word that followed that another meaning, but one that was due to the first word’s assumed first meaning, and so on until the whole sentence ended up making some kind of sense. In this way he had understood that reading was a kind of continuous unfolding of a self-invented story, inside of one’s own body.

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About ten years ago I used a residency in Helsinki to try and find a way to let the two main characters in Waiting for Godot speak in a way that for me could make sense. They ended up whispering. I could imagine them singing (that doesn’t happen in the play), but not speaking out loud.

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Quelquefois les brothers et les sisters, on dirait des petits animaux agglutinés les uns aux autres dans le sommeil, leurs cheveux les recouvrent de blondeur, leurs petits pieds sortent de dessous le tas. Quelquefois ils sont épars comme des petits enfants quon aurait jetés là dans un coin. Quelquefois on dirait quils ont cent ans, quils ne savent plus rien de comment on vit, de comment on joue, de comment on rit. [] Ils pleurent tout bas. Ils disent rien de ça quils pleurent, mais rien. Ils disent : cest rien, ça va passer.

Sometimes the brothers and sisters look like little animals clumped together in sleep, covered in blondness by their hair, little feet sticking out from under the pile. Sometimes they’re scattered like little kids someone’s thrown into a corner. Sometimes it’s like they’re a hundred years old, like they no longer know anything about how we live, how we play, how we laugh. […] They cry softly. They don’t say anything about that, that they’re crying, nothing at all. They say: it’s nothing, it will pass.

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From „Poetics of childhood in Marguerite Duras“ by Anne Cousseau:

In the last sentence, a direct quotation from the „brothers and sisters“, we find the same type of grammatical incorrectness as in the previous sentences, as if the narration reproduced childlike speech. And yet the use of the adjective „scattered“ testifies to a certain lexical research that cannot be attributed to children: a curious mixture, here again, that plays on the mimicry of childish speech, while ostensibly maintaining a certain distance between the narrator and the characters. 

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In 2008 a job led me to work with the writer and philosopher Mladen Dolar. This is from what he wrote that year:

The voice is an invisible bodily missile, it consists in the mere passage from an inside to an outside, thereby producing both. It is itself neither inside nor outside, but in the transition, in the passage, in the extension. Its intension is its extension. But the voice is not on either side, it is what both enables this division and blurs it, it produces it and makes it paradoxical. There is a beautiful passage in Beckett, in The Unnamable:

“… I’ll have said it, without a mouth I’ll have said it, I’ll have said it inside me, then in the same breath outside me, perhaps that’s what I feel, an outside and an inside and me in the middle, perhaps that’s what I am, the thing that divides the world in two, on the one side the outside, on the other the inside, that can be as thin as foil, I’m neither one side nor the other, I’m in the middle, I’m the partition, I’ve two surfaces and no thickness, perhaps that’s what I feel, myself vibrating, I’m the tympanum, on the one hand the mind, on the other the world, I don’t belong to either”.

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Les enfants, c’étaient des gens comme ça, qui comprenaient quon les abandonne. Sans comprendre, les enfants, ils comprenaient. Sans comprendre labandon, ils le comprenaient. C’était en quelque sorte naturel. Quon ait ce mouvement dabandonner les enfants à un moment donné, douvrir les mains et de lâcher, c’était naturel. Eux, leurs billes les plus belles, ils les perdent, alors. C’était aussi naturel quils sagrippent à la mère, quils ne veuillent pas la lâcher. Eux, les brothers et les sisters, ils avaient encore dans la tête les espaces des premiers âges. Des espaces sombres, des peurs inintelligibles, inconsidérées, dautoroutes désertes par exemple, dorages, de nuits noires, de vent. Allez voir ce que ça dit certaines fois le vent, ce que ça crie.

The children, they were like that, people who had understood that we abandon them. Without understanding, they understood, the children. Without understanding abandonment, they understood it. It was somehow natural. That we have this movement of abandoning children at a given moment, of opening one’s hands and letting go – it was natural. So they lose their most beautiful marbles. It was as natural for them to cling to the mother, not wanting to let her go. They still had the spaces of the first years in their heads, the brothers and sisters. Dark spaces, unintelligible, mindless fears, of deserted motorways for example, of storms, of dark nights, of wind. Go and discover what the wind sometimes says, what it shouts.

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I’m with Rita (who as dramaturg has shaped this piece importantly) talking with her father Alan Pauls – a writer and critic from Argentina – about Greta Thunberg, who to our surprise he’s never heard of. A few weeks later Rita shares a new text he has written. 

„This is all wrong,“ she said last Friday in New York: „I shouldn’t be here. I should be at school, on the other side of the ocean.”

She was repeating Brecht’s heartbreaking dictum, in her own way:  „Wretched is the country that needs heroes“. It is another milestone on the heroic path: the moment when the hero discovers that her existence is not the solution to an unjust state of affairs but its symptom, its most decisive proof. In normal times, heroes are nature taken to its extreme limit.

Child heroes, on the other hand – and this is perhaps what makes someone like Greta Thunberg so fascinating – are an incongruity, a kind of aberration, an unnatural freak phenomenon. As unnatural as parents burying their children.

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With thanks to Mladen Dolar (quote from his work for Manifesta 7, “The Voice and the Fortress”, 2008), and to Alan Pauls for his text “Niños héroes”, available at tinyurl.com/4b7u3jnz