Zweimonatige Residenz in Chisinau gestartet +++ teatru-spălătorie starts residency in Chisinau

Das teatru-spălătorie, eine unabhängige Künstler*innen-Initiative, wurde 2010 als eine Plattform für Künstler*innen der moldawischen Independent-Kultur gegründet. 2011 hat teatru-spălătorie auch ein Residenz-Programm aufgelegt, das jungen moldawischen Künstler*innen die Möglichkeit zum Austausch mit lokalen und internationalen Gästen bietet. Seit 2018 waren sie mit mehreren Arbeiten am Theater Rampe zu Gast und eigentlich wären sie gerade für eine Residenz in Stuttgart, doch wegen der Pandemie kann die Gruppe nicht nach Deutschland reisen. Ein kurzer Bericht aus Moldawien:

„Letztes Jahr, am 19. Januar 2020, sind wir nach Stuttgart gereist, um DIE ABSCHAFFUNG DER FAMILIE im Theater Rampe aufzuführen. Das sollte unser letzter Auftritt auf der Bühne sein. Kurz darauf begann die Pandemie. Dieses Jahr, am 10. Januar 2021, sollten wir als Teil des Arbeitsprozesses für unsere neue Performance DIE SYMPHONIE DES FORTSCHRITTS (AT), eine Produktion des HAU Hebbel am Ufer, eine einmonatige Residenz an der Rampe beginnen. Da Deutschland bis Ostern im Lockdown ist, haben wir die Residenz hier, in Chisinau, organisiert. Mit der Unterstützung des Theater Rampe haben wir sogar die Möglichkeit bekommen, die Residenz auf zwei Monate zu verlängern. Das ist ein ganz großes Glück und Privileg. Wir haben keine eigene Spielstätte in Chisinau und einen Raum zu mieten, um zu arbeiten, zu proben und zu experimentieren, selbst für einen kurzen Zeitraum, wird immer teurer und unerschwinglicher.

In unserer neuen Arbeit wollen wir über Gewalt sprechen. Wenn wir über Gewalt sprechen, beziehen wir uns normalerweise auf verschiedene Formen physischer Gewalt, wir sprechen über Mord, Überfälle, Vergewaltigung; wir sprechen über Massentötungen, ethnische Säuberungen, Kriege. Wir neigen auch gewöhnlich dazu, Gewalt als etwas zu bezeichnen, das typisch für die Ungebildeten, für die Unzivilisierten ist. Und wir scheinen die anderen Formen, die Gewalt in unseren Gesellschaften angenommen hat, nicht zu bemerken oder ihnen wenig Aufmerksamkeit zu schenken. Es gibt eine Gewalt in der Art und Weise, wie ein Staat beschließt, sich aus der Entwicklung und Unterstützung des Wohlergehens seiner Bürger zurückzuziehen; wenn er beschließt, Schulen, Krankenhäuser, Bibliotheken und Kulturzentren in ländlichen, armen, marginalisierten Regionen zu schließen. Es gibt eine Gewalt in der Demokratie selbst, in der Art und Weise, wie politische Entscheidungen auf demokratische Weise getroffen werden, die dazu neigen, mehr und mehr die Unterprivilegierten zu treffen und den Machthabern nutzen. Eine Gewalt, die definitiv während der Pandemie gediehen ist, wenn manche Länder ihre Bürger schützen und etwa Wanderarbeiter ausbeuten.

Noch wissen wir nicht, wann und ob, oder gar unter welchen Umständen wir unser Stück uraufführen können. Für den Moment sind wir dankbar, dass wir daran arbeiten können.“

DIE SYMPHONIE DES FORTSCHRITTS (AT) ist eine Produktion von HAU Hebbel am Ufer und teatru-spălătorie. Koproduktion: FFT Düsseldorf, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Theater Rampe Stuttgart, Festival Theaterformen. Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen der Alliance of International Production Houses.


++++ ENGLISH VERSION ++++

The teatru-spălătorie, an independent artists‘ initiative, was founded in 2010 as a platform for artists of Moldovan independent culture. In 2011, teatru-spălătorie also launched a residency program that offers young Moldovan artists the opportunity for exchange with local and international guest artists. Actually, they would be in Stuttgart right now, but because of the pandemic the group cannot travel to Germany. A short report from Moldova:

„Last year, on 19th January 2020, we were traveling to Stuttgart to perform THE ABOLITION OF THE FAMILY at Theater Rampe. That turned out to be our last time to perform on stage. Soon after the pandemic started. This year, on 10th  January 2021, as a part of the working process on our new performance THE SYMPHONY OF THE PROGRESS (working title), produced by HAU Hebbel am Ufer, we were supposed to start a one-month-residency at Theater Rampe, one of the co-producers of the performance. As Germany went into another lockdown until Easter, we organised the residency here, in Chisinau. We even got, with the support of Theater Rampe, the possibility to extend it into a two-month-period. This is quite a big luck and privilege. We don’t have our own venue in Chisinau and renting a space to work, rehearse and experiment even for a short period of time, is becoming more and more expensive and unaffordable. 

In our new work we want to talk about violence. When we discuss violence, we usually refer to different forms of physical violence, we talk about murder, assaults, rape; we talk about mass killings, ethnical cleansing, wars. We also usually tend to refer to violence as something that is typical to the uneducated ones, to the uncivilized ones. And we don’t seem to notice or pay much attention to the other forms that violence has taken in our societies. There is violence in the way a state decides to withdraw from developing and supporting the well-being of its citizens; when it decides to close schools, hospitals, libraries, and cultural centers in rural, poor, marginalized regions. There is a violence in the democracy itself, in the way political decisions are taken in a democratic manner tend to hit more and more the underprivileged communities and to benefit the ones in power. A violence that has definitely only flourished during the pandemic when in some countries own citizens were protected and migrant workers were exploited. 

We still don’t know when and if, or even under which circumstances we will be able to premiere our play. For the moment we are grateful that we can work on it.“

THE SYMPHONY OF THE PROGRESS is a production: HAU Hebbel am Ufer and teatru-spălătorie. Co-production: FFT Düsseldorf, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, Theater Rampe Stuttgart, Festival Theaterformen. Funded by the Federal Government Commissioner for Culture and the Media as part of the Alliance of International Production Houses.

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