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Am Donnerstag, den 18.12.,ab 19:00, findet das Finale von BOUVARD & PECUCHET 3000 statt. Auf Einladung von Adrianna Liedtke und Felix Enssslin zeigen sieben verschiedene Künstler, Künstlerpaare Arbeiten rund um die Themen Wissen, Erben, Sex. Die Präsentationen sind in einem 3-dimensionalen temporären Glossar angeordnet, ein performatives Verzeichnis zum Liebes-Kapitel bei Flaubert und zu zehn Kapiteln künstlerischer Forschung am Theater Rampe.

 

 

Mit:

Leonora Ruchay

studiert an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart seit 2007 Freie Kunst und ist dort seit kurzem Mitglied der Klasse Ricarda Rogan. Neben Fotographie und Video arbeitet die Künstlerin mit durch Recherche und Interviews generierten ebenso wie mit selbstverfassten Texten. Neben zahlreichen Beteiligungen an Gruppenausstellungen und –projekten zeigte sie ihre Arbeiten u.a. in der Soloausstellung „9to5 or 24h“ im Sudhaus, Tübingen, 2013.

 

Eve Kolb

studierte Schauspiel an der HfS Ernst Busch in Berlin, arbeitete u.a. in Weimar, Köln und Göttingen, lebt als freie Schauspielerin seit einigen Jahren wieder in Berlin  und ist dort an der Humboldtuniversität für den Studiengang Psychologie eingeschrieben und überbrückt kunstfreie Phasen in der Gastronomie.

 

Leon Filter und Florian Clewe

sind bildende Künstler und leben und arbeiten in Brüssel und Berlin. In ihrer gemeinsamen und individuellen künstlerischen Praxis arbeiten sie sich durch unterschiedliche Felder der Kultur und des Wissens, so etwa durch die historische Kulturtechnik des Bäumebiegens und die Geschichte der Flüssigkristallforschung. Dabei untersuchen sie die Spannungsverhältnisse, die aus der Migration der angeeigneten Bilder, Praktiken und Problemhorizonte in die Produktion künstlerischer Formen und Selbstentwürfe hervorgehen.

 

Oana Vainer

Geboren 1980 in Bukarest. Studium an der Universität der Bildenden Künste in Bukarest. Anschließend Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und Tallinn. Trägerin des Akademiepreises der Bildenden Künste in Stuttgart und des DAAD Preises. Im Jahr 2014 Stipendiatin an der Cité Internationale de Paris. Oana Vainers neuere Arbeiten setzen sich mit den persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Realitäten einer de facto lediglich vertraglichen und währungspolitischen Europäischen Union auseinander. Arbeitsutensilien sind bei Oana Vainer Gegenstände, die eine gemeinsame Vergangenheit ausweisen, Videos oder auch der eigene Körper. Dabei verwendet sie bestehende Inhalte als Restriktion und verändert diese in mehreren Transformationsprozessen in eine neue Realität. Klischees werden nicht negiert sondern ad absurdum geführt.

 

Raphael Sbrzesny

studierte Klassisches Schlagzeug, Neue Musik und Kammermusik in Stuttgart und Paris, Experimentelles Musiktheater und Komposition in Bern, und Bildende Kunst in Stuttgart und München. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, zuletzt das Landesgraduiertenstipendium sowie ein Bundesatelier in der Cite International des Art Paris. Derzeit arbeitet er an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart zusammen mit Felix Ensslin an einem künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsvorhaben mit dem Titel: ‚Das Material des Anderen im Eigenen – Übungen zu einer Ästhetik der Interpretation’. Dabei versucht er Begriffe wie Repertoire, Fingerübung und der Interpret für einen Figurenentwurf zu diskutieren, welcher Möglichkeitsräume für eine künstlerische Produktion jenseits eines ständigen Aktualisierens bestehender Ordnungen markiert.

 

Das letzte Kapitel der Forschungsresidencyreihe BOUVARD & PECUCHET 3000 begann am 4. Dezember mit dem Einzug von Adrianna Liedtke und Felix Ensslin – beide Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Bis zum 18.12. sind die beiden mit Unterstützung diverser KünstlerkollegInnen im Labor im Theater Rampe.

Freitag den 12., Samstag den 13., Mittwoch den 18. und Donnerstag den 19. gibt es ab 18:00 Uhr öffentliche Präsentationen im Labor.

Außerdem veranstaltet Felix Ensslin seine beiden wöchentlichen Seminare Dienstags und Mittwochs im Weinladen unter dem Theater; am 17. 12. von 13:30 – 16:00 Uhr und am 18. 12. von 10 – 12:30 Uhr.

 

Ein Gespräch zwischen Dominic Oley, Armin Zebrowski und Jan-Philipp Possmann

(7. November 2014)

Jan-Philipp Possmann:
Dominic, wie wichtig ist für dich Lektüre anderer Texte, wie verwendest du Texte?

Dominic Oley:
Es sind oft Referenzlektüren, aus Diskussionen, denen man beiwohnt, Wissen, das man gesampled hat aus Begegnungen. Früher hat man das noch unbeholfener zusammen gesteckt. Inzwischen kommen die soziologischen Überlegungen auch aus einem selbst, durch das was man sich angeeignet hat. Über die Arbeit.

JP:
Wie findest du Texte?

DO:
Edition Suhrkamp. Ich finde es dann immer schön, wenn ein Text über einen schlauen Gedanken auch eine humoristische Komponente hat. Also eine humoristische Anlage aufzustöbern, die kritisch ist, die Wirklichkeit kritisch beäugt. Ich kaufe mir auch ganz viele Bücher, lese sie aber nie. Sonst lese ich sie mit dem Stift, markiere mir, wasmir auffällt, und dann kommt man da vielleicht später drauf zurück.

Kapitel8_Experiment (1)_web

JP:
Heißt das, du liest auch gegen den Strich?

DO:
Natürlich gibt es das, aber ich versuche schon, die Essenz nicht komplett zu demontieren. Es geht eher darum, die Aussage mit etwas anderem zu verschränken. Es gibt natürlich so Texte, die einem anempfohlen werden, und die man dann eher so mechanisch liest, das Ritual erfüllt, ohne dass man weiß, was man da jetzt verstanden hat. Aber das wirkt dann später.

Und manchmal kommt so ein Copy-Paste-Verhalten des Gedankens, wenn man sich mit einem Gedanken verschwistert, wenn man denkt, ja, so die Wirklichkeit zu beschrieben, kommt mir logisch vor. Dann zitiere ich das auch direkt.

Es sind oft nur Bruchstücke, nur Sätze, die irgendwas auslösen. Ich kann das aber nicht mehr nachvollziehen für meine Stücke. Da die Figuren in den Stücken ja auch sozusagen frei assoziieren,

deswegen kann man nicht sagen, eine Idee hat einen ganzen Text beeinflusst, sondern die Figuren können auch selbst einen Gedanken in den Mund nehmen.

JP:
Als Dramaturg ist man ja ständig dabei, sich in neue Sachen einzuarbeiten. Mit jeder neuen Produktion musst du sagen, ich bin jetzt der Experte für dieses Thema, was du natürlich nie bist. Man ist vom Berufsbild total zur Oberflächlichkeit erzogen. Das kommt mir zum Beispiel entgegen, weil ich tatsächlich gerne lese, aber in der Regel nie gründlich und lang.

DO:

Ich lese das auch nicht in aller Ruhe. Bei Armin ist das wahrscheinlich anders.

Armin Zebrowski:
Du täuschst dich. Zum konsequenten Durchlesen habe ich gar nicht die Zeit, und auch oft nicht die Lust. Ich gehe eher auf das assoziative Lesen. Wenn ich ein Werk wie die Geheimlehre habe, da schlage ich mal eine Seite auf oder gehe über den Index rein. Dann lese ich irgendwas, drei vier Stellen, dann bleib ich irgendwo hängen und lese da weiter, und dann leg ich’s wieder beiseite, hab dann aber was mitgenommen, womit ich arbeiten kann.

JP:
Bei dem Stück, das Dominic jetzt geschrieben hat, ist das Material die menschliche Begegnung, mit Armin, mit mir. Aber es gibt ja auch die Begegnung mit Personen, mit Autoren über deren Büchern. Es gibt eine große, ehrfurchtgebietende Bibliothek im theosophischen Zentrum hier in Stuttgart. Wie ist dein Verhältnis zu diesen Autoren, Armin, zu diesen Menschen, wie Blavatsky?

AZ:
Die Bücher sind gesammeltes Wissen. Von Menschen, vor denen ich tiefe Ehrfurcht oder Demut empfinde, weil ich merke, dass ich ihr Wissen selbst noch nicht durchmessen kann. Die Bücher sind aber eigentlich nur Begleiter für mich. Mein Weg ist ein anderer. Ich versuche im Leben die Erkenntnis zu finden. Und wenn man dann das Buch in die Hand nimmt, dann passiert genau das, dass man Stellen findet, die eine Resonanz hervorrufen. Oft ist es so, dass man Gedanken in sich trägt, und irgendwann liest man diesen entscheidenden Satz, und dann hast du es in der Hand und kannst es anfassen. Das ist eben das, was mir das Leben beigebracht hat.

Purucker, der theosophische Lehrer, wurde mal gefragt: „Was ist eine Frage?“ Purucker hat geantwortet: „Eine Frage ist ein Gedanke, der sich in Geburt befindet.“

Im Grunde genommen ist es so: Bücher sind Schätze von Wissen, die jemand gesammelt hat. Aber für sich selbst haben sie keinen Wert. Wert erhalten sie erst, wenn wir im Leben eine Resonanz für dieses Wissen finden. Sonst können wir nichts damit anfangen. Bücher können Gedankensamen in uns ablegen, die irgendwann wie eine Pflanze im Frühjahr wieder auftauchen. Und zum anderen helfen sie uns, das zu realisieren, was in uns ist, aber oft noch unbewusst. Wenn man mal ein Buch in die Hand nimmt, das man vor langer Zeit gelesen hat, und man hat Anstreichungen gemacht, wie Du gesagt hast Dominic, dann findest Du oft Stellen, die viel interessanter sind, als die, die Du dir damals angestrichen hast. Du siehst dann wie das Buch dein Inneres reflektiert. Und das ist ja überhaupt der Weg, sich selbst zu beobachten und zu schauen, wie reagiert mein eigenes Ich, mein eigenes Wesen.

JP:
Warst du mal an dem Punkt, wo Du gesagt hast, jetzt muss ich aber mal alle Bücher von Purucker oder Blavatsky in der richtigen Reihenfolge durchlesen, auch wenn es mühsam ist?

AZ:
Niemals, würde ich auch nie machen. Wir machen es genau andersherum. Wenn wir in den Studiengruppen zusammenarbeiten, nehmen wir verschiedene Texte zur Hand. Eine der Aufgaben ist es ja, sich mit anderen Religionen und ihren Texten zu beschäftigen. Wir nehmen da manchmal nur zwei oder drei Sätze und verbringen zwei Stunden damit, nur über diese Sätze zu meditieren, zu philosophieren. Wenn ich die Philosophie, die manchmal in nur einem Satz steckt, verstehen will, dann kann ich nicht so einen dicken Schinken durchlesen.

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JP:
Würdet ihr sagen, Eure Methoden, also das quasi meditative Lesen hier und das Zusammenklauben da, ist das eine Form von Wissensproduktion? Oder ist das eher was Emotionales als was Intellektuelles?

AZ:
Das kann man so oder so sehen. Aber man kann ja mal ein Experiment machen: Wenn man ein Buch hat, das einen interessiert, man aber aus irgendwelchen Gründen es nicht durchlesen kann, dann kann man versuchen, dem Leben mal seinen Lauf zu lassen. Nimm dieses Buch und schlag es einfach irgendwo auf und dann schau, was da passiert, was für ein Dialog da entsteht zwischen dem Buch und deinem Leben.

DO:
Die Frage ist: Ist es auch da, bevor ich es sehe? In gewisser Weise wird es durch uns transferiert. Ist das Wissen in dem Buch ohne mich, ohne meine emotionale Psycho-Physis, überhaupt da? Was ist Wissen dann? Zusammengetragene Gedanken, die mit uns in Verbindung gesetzt werden? Oder praktisches Know-how?

Das Wissen ist ja immer in Bezug auf etwas anderes, nämlich die Wirklichkeit, in der ich versuche mich instandzuhalten. Ich eigne es mir nicht an, um es zu haben, sondern als Instrument der Orientierung. Filter aufzubauen, die es mir möglich machen, mich nicht ausgeliefert zu fühlen, differenzieren zu lernen. Das Wissen färbt die Wahrnehmung ein. Es geht für mich um Repräsentationskritik. Es geht darum, Erzählungen zu finden, Spuren von Erzählungen, darüber, wie und was wir überhaupt wahrnehmen.

JP:
Kann man denn sagen, man nimmt eh nur das wahr, was man schon weiß? Vielleicht geht es ja nur darum, Begriffe zu finden für etwas, das man emotional schon begriffen hat.

DO:
Oder sagen wir mal so, die Möglichkeit, alles Wissen zu erschließen, ist vielleicht schon da, aber erst die Begegnung mit einer Sache verweist auf das Mutterschiff, wo dieses Wissen ist.

JP:
Es könnte ja sein, dass etwa beim Lesen gar kein neues Wissen in uns hinein kommt, sondern dass nur Wissen abgerufen wird, das schon in uns drin ist. Dass es also genau umgekehrt ist.

AZ:
In den Geschichten über Gautama Buddha wird beschrieben, wie er menschliche Vollkommenheit erreicht. Er hat universales Wissen. Alles was man als Mensch wissen kann, weiß er. Er sieht auch die Reihe seiner Inkarnationen wie an einer Perlenkette aufgereiht vor seinem Auge. Er weiß alles! Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir eine höhere Instanz in uns haben, dann wäre das der Ort, wo ich dieses Wissen lokalisieren würde. Je mehr es uns gelingt, die Verbindung zu diesem inneren Licht herzustellen, desto eher ist es möglich, das wir intuitiv Dinge erfassen, die wir uns sonst nur sehr schwer ergründen können. Ich unterscheide also zwischen verschiedenen Arten von Wissen. Das eine ist das Kopfwissen, das analytische, das wir in der Schule lernen. Dieses Wissen geht aber wieder verloren, wenn wir sterben, denn es ist gebunden an diesen Körper, dieses Erinnerungsvermögen. Wir haben aber auch diese andere Form von Wissen in uns, das universale Wissen. Das absolute Sicherheit vermittelt. Das können wir erfahren, wenn wir uns in die Nähe unserer spirituellen Natur bewegen. Sämtliches Wissen des Universums ist in uns. Wir sind nur teilweise in der Lage, es zu sehen durch das Gefangensein in der Maya, der Illusion. Dadurch, dass wir unser Bewusstsein komplett an unsere äußeren Sinne gebunden haben.

Für mich ist das ein evolutionäres Problem. Das Intuitive, das Assoziative, können wir noch nicht so lenken, es fällt uns noch zu. Aber je weiter wir gehen in unserer Entwicklung, desto mehr wird sich das uns auch erschließen.

ISABELLE BARTH ALS ASTRID MEYERFELDT:

(Sie steht auf, oder sieht einfach grossartig aus)

 

Ich bin in dir! Ich habe mich in dir abgelegt und darüber erzählt auch die Luft, oder die irgendwie, sozial relevante Aufmerksamkeit zwischen uns!

Das Dazwischen uns! Diese, sich praktisch erkennbar machende Mechanik der Funktion! Das: Da-Zwischen-uns-ist-was-Uns! Auf dem Armstrong auch schon mal zum Mond gefahren ist und Staatsverträge, wohlweislich für eine bessere Zukunft unterzeichnet worden sind!

Die Haut der Geschichte ist sehr dünn!

 

ARMIN ZEBROWSKI ALS ARMIN ZEBROWSKI:

Das ist die Gegenwart! Die kann sehr gut schmecken!

 

ISABELLE BARTH ALS ASTRID MEYERFELDT:

Genau! Die Gegenwart, der Sekundenspuck, der hier zwischen uns glüht, ist unsere Chance uns, in jedem neuen Moment für etwas, oder das Richtige zu entscheiden! Für alle!

Und wenn ich jetzt sage, du bist so schön, ich will dir 100 Jahre bei der Zellteilung zuschauen, obwohl wir uns, für kosmische Verhältnisse ja erst Mikrosekunden kennen, dann hat das, also DU und deine Schönheit, auf einmal jede Menge mit mir zu tun und das immer und immer wieder!

Ich meine, du kannst ja nicht einfach so schön sein!

Das muss doch auch etwas mit mir zu tun haben! Das sehe ich doch!

Dass sich das mir so gnadenlos-grosszügig ausliefert!

Dass ich das so glänzend geliefert bekommen, das hat auf jeden Fall etwas mit mir zu tun!

Du bist bestimmt nicht so extrem schön ohne mich!

Vielleicht anderes, aber nicht so unbeschreiblich schön!

Das können nur wir uns aus oder angelacht haben!

Oder können das alle!? Ich meine das wäre ja gei!l

Wenn man im Kapitalismus von Nutzbarkeit spricht, weisst das ja auf ein Ziel hin! Zuwachs und Gewinn!

Ich meine, das sind doch wunderbare Thesen!

Ursache und Wirkung!

Das ist doch ein implizites Verhältnis das von einem Gegenüber ausgeht!

Und auch das Kapitel fühlt sich in der Gemeinschaft das Kapitalzuwachses am wohlsten!

Machen wir das doch auch mal!

Das Kapital spricht von seinem Gewinn!

Und damit von Gemeinschaft!

Tun wir das doch auch!

Sprechen wir doch auch mal un- hinter fragt von Gewinn und damit von Gemeinschaft!

TUN WIR DAS DOCH MAL ! Das wäre doch mal schön!!!

In Gemeinschaft sein und dadurch zu GEWINN KOMMEN,

nicht nur weil wir uns so nett unterhalten haben!

Also, auch fürstlich dafür bezahlt werden!

Hoch die Herzen, ihr Getreuen und auf uns, wir uns treuen und teuren Gewinner!

 

aus:
Dominic Oleys Text für das 8. Kapitel: Sgt. Counter Logos Heart´s Club Band

 
 

Am 6. November präsentierten Dominic Oley und Armin Zebrowski, zusammen mit der Schauspielerin Isabelle Barth und dem Kurator JP Possmann, die Erstlesung eines Textes, den Dominic Oley während der Laborphase geschrieben hatte. Das Experiment bestand unter anderem darin, dass ein Theosoph, zwei Schauspieler und ein Kurator gemeinsam einen Theatertext vor Publikum lesen – und das zwischen optischen Experimenten des Physikalischen Instituts der Uni Stuttgart.

 

Frankfurter Rundschau vom 28.4.2004
http://www.fr-online.de/literatur/sammelwut-und-ekel,1472266,3222850.html

auf Literaturkritik.de vom 2.5.2005
http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8053

Cicero vom 29.10.2009
http://www.cicero.de/salon/spass-im-walfischformat/45259

und eine Studie von Hildegard Haberl auf PhiN – Philologie im Netz
http://web.fu-berlin.de/phin/phin31/p31t7.htm

JP

Derjenige, welcher auf einmal alle Ausdehnung und alles Denken umfaßte, würde darin keinerlei Zufälligkeit, nichts Unwesentliches erblicken, sondern eine mathematisch Verkettung von Gliedern sehen, die durch notwendige Gesetze miteinander verknüpft sind.
»Ach, wäre das schön!« sagte Pécuchet.

Bouvard und Pécuchet, Kapitel 8, S. 256

Jan und Armin richteten sich gemütlich ein und versuchten, die Grenzen zwischen Glauben und Wissen am atmosphärischen Raum des Theaters festzumachen. Das, was zwischen Darsteller und Zuschauern geschieht, umfasst beileibe mehr als das gesprochene Wort und die szenische Darstellung. »Doch braucht es die Metaphysik, um die besonderen Momente des Theaters zu erklären?« wirft Jan ein. Ihm reiche die ganz normale Physik.

Zunächst lauschen sie einer alten Aufnahme aus den 1950ern – Hanns Eisler philosophiert in beeindruckender Weise über das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. Die Kybernetik! Sie würde es ermöglichen, das Kreative des Schaffens auf einen mechanischen Prozess zu reduzieren. Ist das so? Ein halbes Jahrhundert später erscheint das nicht mehr relevant, denn noch hat kein Computer den menschlichen Intellekt erreicht. Eine Sackgasse.

Die beiden genießen die Freiheit, im Rahmen des Labors Gedanken zu erschaffen, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Während Jan als Kurator das so intendierte, muss Armin sich daran gewöhnen. Was ihm zunehmend besser gefällt. Diese Arbeit – fast ohne Betrachter – stellt den Humus dar, aus welchem neues, kreatives Schaffen erwachsen kann und soll.

Also weiter. »Kann der Künstler ein Werk erschaffen, das nicht mehr interpretierbar ist?« wirft Jan ein. »Niemals, alles ist interpretierbar, da der Zuschauer per se immer subjektiv ist.« Aber wie verhält es sich mit jenen Künstlern und Performern, die auf Zuschauer weitgehend verzichten? Jan hebt hervor, dass gerade sie oftmals den bedeutendsten Einfluss auf die Entwicklung des Theaters haben. Damit hat Armin kein Problem. Er verweist auf die Wissenschaft. Beobachtungen an Affen legen nahe, dass sie lokal unabhängig Verhaltensweisen voneinander erlernen können. Chemiker berichten, dass schwer herzustellende komplexe Verbindungen im Labor sich bei Wiederholungen leichter bilden. Und dass es bekannt ist, dass Erfindungen an mehreren Orten der Welt völlig unabhängig voneinander immer wieder zur selben Zeit gemacht werden. »Und im Okkultismus ist es sowieso keine Frage, dass alles miteinander verbunden ist« erläutert Armin. Nichts können der Einzelne tun, ohne das Gesamte zu beeinflussen. Ein am Ufer des Ozeans in das Wasser geworfener Stein berührt den gesamten Ozean.

Also wirkt sich die Kunst aus, auf alles, was ist – ob sie will oder nicht. Auch wenn sie im stillen Kämmerlein erschaffen und nicht dem gemeinen Zuschauer exponiert wird.

Nun aber zurück zum Thema – was ist dieses Atmosphärische Element im Theater, das uns so beeindrucken kann, dass wir es, einmal erlebt, nie wieder vergessen werden? Engagiert versuchen die beiden, tiefer zu dringen, das Problem einzugrenzen. Was schwingt da in so beeindruckender Weise?

Jan bringt sein Überlegungen auf den Punkt. »Es ist die körperliche Anwesenheit, die Verletzbarkeit, die bloße physische Gegenwart, die Möglichkeit der direkten Konfrontation, welche die Empfindungen über das gesprochene Wort hinaus ermöglicht!« versteht Armin Jans Ausführungen. Ein Gedanke, der nicht von der Hand zu weisen ist, vergleicht man das Erlebnis eines Live-Orchesters mit dem Hören einer digitalen Konserve.

Armin sieht den Zeitpunkt gekommen, das Problem aus der inneren Sichtweise zu betrachten. Er zitiert Die Geheimlehre von Helena Petrovna Blavatsky. Sie stelle drei fundamentale Grundsätze auf, welche das Fundament der gesamten alten Weisheitslehren darstellen.

Der erste der Grundsätze postuliere ein ewiges, unerkennbares und ursachloses Prinzip, das über jegliche Spekulation erhaben sei. Lao Tse nenne es das Tao, in der Theosophie hieße es die Ursachlose Ursache, es werde auch Jenes genannt oder Tat, von den Hindus werde es als Paramatman (Param=über und Atman=Geist, Selbst) bezeichnet. Der zweite der Grundsätze habe besonderen Bezug zur Frage. Er besage, dass die gesamte Schöpfung und alles, was darin enthalten sei, zyklisch entstehe und vergehe. Somit sei alles, was ist, eine Form von Schwingung. Der dritte Grundsatz stelle die fundamentale Identität aller Seelen mit der einen Oberseele fest, was bedeute, dass sämtliche Monaden einer Schöpfung, vom kleinsten atomaren Teilchen bis zum größten vorstellbaren Universum und darunter- und darüberhinaus dasselbe Bewusstsein teilen und daher essenziell eins seien.

»Das bedeutet«, führt Armin weiter aus, »dass wir mehr sind als unsere Körper. Fein abgestufte Ebenen von der niedersten physischen Manifestation bis zum höchsten, feinstofflichen Geist machen die Gesamtheit des Menschen aus.« »Wir begegnen«, so argumentiert er, »uns also auf vielerlei Ebenen gleichzeitig. Nicht durch die Begrenztheit unserer physischen Sinne geblendet, könnten wir das Ganze leichter erkennen«. Und diese Bereiche jenseits der von unseren physischen Sinnen wahrnehmbaren Schwingungen mache die Einheit für uns in besonderen Situationen erfahrbar.

Die Argumentation verfängt nicht bei Jan. Er brauche die »Esoterik« nicht, um zu verstehen, das in einer Gruppe von Zuschauern etwas entstehen kann, was mehr ist als die Summe seiner Einzelteile.

So kommen sie nicht weiter. Oder doch? Haben sie nicht intensiv Gedanken ausgetauscht, Sichtweisen des anderen betrachtet, eigene dargestellt, nach Übereinstimmungen und Unterschieden gesucht? Haben sie nicht wundervolle und seltsame Übereinstimmung gefunden in vielerlei betrachteten Punkten, obwohl doch die Herangehensweisen und Denkschulen so unterschiedlich sind? Auf der Grundlage einer hohen Ethik – nämlich des gegenseitigen Respekts und die Unterlassung des Versuchs, den jeweils anderen von den eigenen Ansichten zu überzeugen – arbeiteten sie an der Frage im intensiven Diskurs.

Die Atmosphäre war offen und fruchtbar – und so konnte am Schluss auch noch ein Hauch des betrachteten magischen Momentes im Theater durch den Raum schwingen. Und zwar gerade da, als Armin zum Ende mit einem Zitat aus der Bibel aufwartet: »Hat nicht Jesus gesagt« zitiert er, »wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter euch?« 

Zufrieden gehen die beiden auseinander, nicht ohne schon das nächste Laborgespräch vereinbart zu haben. Am 30.10. werden sie die Landkarten des Denkens erneut aufschlagen und nach Pfaden forschen, wie die unterschiedlichen Stimmen im Menschen zu ergründen seien.

 

 

Armin

Armin Zebrowski und ich haben uns am gestrigen Donnerstag (23.10.) für 2 Stunden zum Debattieren im Labor verabredet. Es sollte um Schwingungen gehen. Ich hatte angeboten, über Schwingungen im Theater zu sprechen – eines meiner Lieblingshaßthemen meiner zugegebenermaßen nicht allzu langen Schauspieltheaterkarriere. Armin war sofort begeistert, denn Schwingungen gehören zu seinem Lieblingsthema. Der zweite Grundsatz der Geheimlehre von Blawatsky besagt, sehr frei von mir aus der Erinnerung zusammengefasst, dass alles Sein in periodischen Schwingungen auftritt oder sich entwickelt. Angekündigt hatten wir das Thema als „Schwingungen im Theater“, was ja auch wieder stimmt, denn wir sind in einem Theater.

Armin und seine Frau Petra trafen eine halbe Stunde vor Laboröffnungszeit ein und begannen ziemlich umstandslos, Stühle aufzustellen, den Tisch zu präparieren. Armin hat ein großes Talent, seinen Arbeitsethos mit Freundlichkeit so zu kombinieren, dass man gar nicht mehr merkt, wenn man von ihm zur Sache gebeten wird. Auch bei unseren bisherigen Treffen legte er immer eine Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit in der Sache an den Tag, ohne dabei pedantisch oder ungeduldig zu wirken. Die Sache ist unser Forschungsauftrag. Dass ihm dieser nach wie vor nicht gänzlich klar ist, was ich ihm nicht vorwerfe, hat ihn bisher nicht daran gehindert, sich mit Ernsthaftigkeit und Fleiß in diese Sache zu werfen. Zu unserem ersten Treffen mit Dominic Oley kam Armin jedenfalls mit dem mit Abstand dicksten Leitzordner von uns dreien.

Armin und ich hatten uns vorbereitet. Ich referierte ein bisschen über meine Sicht auf das Theater als Kunstform und meine Kritik an der Esoterik des Theaters, wie ich es nannte. Ich habe mich dabei ziemlich in einen kulturwissenschaftlich aufgejazzten Dramaturgenjargon hineingeschraubt, sogar einen uralten sehr ambitionierten Text von mir aus der Berliner Gazette zitiert, allerdings gegen Ende meiner Ausführungen den argumentativen Boden etwas unter den Füßen verloren. Armin hörte zu jedem Moment derart aufmerksam zu, dass ich zwischendurch zweifelte, ob es Interesse oder Freundlichkeit war, die ihn an meinen Lippen hängen ließen.

Armin antwortete mit einem Exkurs über die Grundregeln der Geheimlehre, die er aus einem schon alleine visuell sehr imposanten uralten Buch vortrug.

Die Frage, die wir eigentlich behandelten, lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Gibt es ein Mehr der theatralen Kommunikation, und wenn ja, was ist das und woher kommt es? Eine Qualität der Erfahrung, die über das Drama und über die reine Anwesenheit als Zuschauer hinausgeht. Dabei sind wir eigentlich nur am Rande auf das Theater als ästhetischen Vollzug auf der Bühne eingegangen, was mir sehr recht war. Stattdessen ging es eher um Fragen von Kommunikation zwischen Gruppen von Menschen, um das Publikum eher als um die Schauspieler.

Komischerweise, obwohl wir beide der christlichen Religion eher fern stehen, hat Armin das, worum es uns ging gegen Ende mit einem Bibelzitat ganz schön zusammengefasst: „Wo zwei oder mehr in meinem Namen versammelt sind, bin ich unter Euch.“ Mir ist später erst eingefallen, dass der amerikanische Theaterwissenschftler Paul Carter Harrison die richtige, oder vielmehr seine, performative Poetik mir gegenüber mal so zusammengefasst hat: To bring the gods into the house. Es ging also eigentlich um Qualitäten des Zusammenseins, und Gott steht hier für dieses Mehr, das ich oben erwähnt habe.

Armin spricht von Schwingungen. Das ganze Universum schwingt. Aber ich muss gestehen, dass mir nach zwei Stunden angeregter Diskussion nicht klar geworden ist, warum man von der Erfahrung erhöhter Präsenz während einer Theateraufführung (etwas was übrigens selten genug passiert, aber ich immerhin schon erlebt habe), auf die Schwingung de Universums kommt. Mir schien es immer ein bisschen so, als würde Armin mit metaphysischen Kanonen auf meine materialistischen Spatzen schießen. Wo ich von körperlicher Nähe, Verletzlichkeit, Verantwortung, Physis rede, spricht Armin von Schwingungen, Ewigkeit und okkulten Kanälen. Ich kann gar nicht sagen, dass all das nicht stimmt oder was daran wahr oder unwahr sein soll. Es scheint mir nur ein komischer Umweg zu sein, bei dem Versuch Erlebnisse zu Erfahrungen zu organisieren (wie Negt und Kluge es sagen) – also brauchbare, nützliche Erkenntnis zu gewinnen.

In diesem pragmatischen Erkenntnisansatz sind wir uns übrigens, neben vielen anderen Dingen, einig. Und das machte die Diskussion dann wieder extrem wertvoll und inspirierend. Denn Armins Okkultismus leistet sich meines Erachtens keine Abgehobenheit und Weltvergessenheit. Er ist bei allem raunenden Jargon doch gleichzeitig erfrischend diesseitig und pragmatisch und (darin) ausgesprochen humanistisch.

JP

Jeder sollte glauben dürfen, was er glauben will, wie Armin Zebrowski immer wieder betont. Spiritualität ist Privatsache und muss es sein – sagt Armin Zebrowski. Aber liegen spezifischen spirituellen Orientierungen spezifische psychologische Dispositionen und ehtische Werte zugrunde, und wie manifestieren sich diese Dispositionen in der gelebten Spiritualität der Menschen? Und lässt sich von diesen auf politisches Handeln oder zumindest politische Einstellungen schließen? Dann wäre Spiritualität immer noch Privatsache, aber sie wäre gleichzeitig nicht nur politischer Seismograph sondern würde selbst wieder politisches Verhalten beeinflussen. Die Ethik beeinflusst die Spiritualität und die Spiritualität beeinflusst die Ethik. Was folgt daraus für einen spirituellen Liberalismus?

Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat in der FAZ einen Essay über die Folgen absolutistischen Denkens geschrieben. Unter dem zugegebenermaßen reißerischen Titel: Mord als Gottesdienst.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/religion-und-gewalt-mord-als-gottesdienst-13084596.html

JP

Der Theosoph Armin Zebrowski und der Kurator J.P. Possmann laden an ausgewählten Abenden das Publikum ein, gemeinsam im Labor Zweifel zu säen und Gespräche zu ernten. Nach Bouvards und Pecuchets Devise, alles jederzeit zu hinterfragen, präsentieren Zebrowski und Possmann jeweils einen Grenzfall des Wissens, nehmen Besucherwünsche entgegen und diskutieren alle Themen aus materialistischer und spiritueller Perspektive. Erkenntnis und gepflegte Getränke – Spezialisiert auf okkulte Erfahrungen, ethische Dillemmata und existentielle Zweifel.

23.10. – 18:00 – Über Schwingungen im Theater

30.10. – 18:00 – Über innere Stimmen

weitere Termine auf Anfrage!