Im Spiel liegt die Möglichkeit, die Gesellschaft anders auszuprobieren
Ein Interview mit Friedrich Kirschner
Friedrich Kirschner ist Filmemacher, visueller Künstler und Software-Entwickler. Seit 2012 ist er Professor für Digitale Medien im Puppenspiel an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch, Berlin. Bei Stage@Play ist er im Kurorenteam und Workshopleiter.
Bastian Boß Welche Fragen stellen sich für dich nach drei Tagen Stage@Play?
Friedrich Kirschner Ist das was wir hier machen, diese Idee von Spielen in ästhetisierten Räumen, etwas, wofür wir eine eigene Comunity brauchen und eine eigenen Sprache? Oder wollen wir unsere jeweiligen Rollen als Theatermachende, als Spieledesignende behalten und uns nur mit dem jeweils anderen auseinandersetzten. Brauchen wir eine Gemeinschaft, die mit einer eigenen Linse auf das guckt, was man da macht und eigenen Qualitäten in dem findet, was natürlich eine Mischung ans dem anderen ist, was aber trotzdem stark genug ist, um für sich selbst zu stehen. Stage@Play ist für mich eine Bestärkung dahingehen, weiter zu machen und diese Vergemeinschaftung voranzutreiben.
BB Löst Stage@Play deinen Wunsch nach einem Forschungslabor ein?
FK Das Symposium hat einen guten Job gemacht, alles hier richtig zu kontextualisieren als work in progress, dass man hier die Möglichkeit hat, Dinge in ihrer Skizzenhaftigkeit anzuschauen. Aber bei zwei Tagen Workshop kann man noch nicht von Forschung sprechen, sondern vielleicht von Wissenstransfer. Die Frage ist, können wir uns Forschungsräume vorstellen für diese Art künstlerischer oder gesellschaftlicher Forschung, die wir betreiben, wo wir ein Gerüst bekommen, das es uns ermöglicht, dass wir uns ergebnisoffen auf eine Sache konzentrieren? Ich fände es großartig, wenn Hochschulen diesen Raum bieten würden.
BB Wie sieht deine Utopie aus?
FK Ich glaube, dass im Spiel die Möglichkeit liegt, die Gesellschaft anders zu sehen und auszuprobieren und zwar in alle Richtungen. Dafür habe ich den Schutzraum und die Freiheit des Spiels, weil dort die Konsequenzen aus dem Alltag ausbleiben. Diese Möglichkeit der Utopie oder der Distopie, des Anders-Erlebens, finde ich faszinierend. Meine Wunschvorstellung wäre, dass man jeden Dienstag in eine Theater seiner Wahl gehen könnte und die Möglichkeit hätte, sich anders zu verhalten in gesellschaftlichen Prozessen. Wenn es also Spiele gäbe, die uns die Möglichkeit gäben, beispielsweise Arbeit neu zu verhandeln. Da könnte ich dann immer dienstags im Staatstheater in einem systemischen Aufbau forschen, wie Arbeit denn sein könnte. In Deutschland haben wir diese einzigartige Infrastruktur, in der das stattfinden könnte. Das soll auch nicht heißen, dass danach nicht auch ein klassischen Theaterstück gespielt werden kann, das sich mit demselben Thema auseinander setzt und in dem Vorschläge gemacht werden, wie Figuren damit umgehen. Das wäre toll.