Stage@Play-bei Wüstenklima auf fröstelnder Geschichtssafari
Im Rahmen des Stage@Play Symposiums präsentieren Master-Studierende Mona Rieken und Jeffrey Döring ihre Abschlusspräsentationen, die sich mit namibisch-deutscher Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzen.
Sand zwischen den Zehen, Schweiß auf der Stirn und Maisbrei zwischen den Zähnen. Das und ein flaues Gefühl im Magen bleiben von den zwei Masterprojekten „Namibia. Eine transmediale Spurensuche“ von Mona Rieken und Jeffrey Döring. Beide Master-Studierenden der ADK Ludwigsburg haben sich für dieses Projekt in unterschiedlicher Form mit der Geschichte Namibias befasst, die durch die deutsche Kolonialisierung bis zu Namibias Unabhängigkeit 1990 auch einen Teil deutscher Geschichte birgt.
Warum dieser Teil in deutschen Geschichtsbüchern gerne auch mal ausgeklammert wird, lässt vor allem Jeffrey Dörings performative Installation „Spielplatz Namibia“ ahnen. Drei Räume, die die Zuschauer in Gruppen von 20 Personen betreten, eröffnen in unterschiedlichen Settings drei Perspektiven aus Vergangenheit, Gegenwart, von Namibiern und Südwestdeutschen, Nachkommen der Kolonialherren. Man sitzt mit eben diesen deutschen Landherren an einer Tafel im kühlen Keller des Kunstraum43, schräg gegenüber vom Theater Rampe, und löffelt kalte Gemüsesuppe. Eine festliche Festtagsstimung will trotz Kronleuchter und Blumen auf den Tischen nicht aufkommen, denn der Gastgeber ist emotional verwirrt. Es scheint alles im Umbruch, der Reichtum und die Ordnung seien gefährdet, wenn die Wahlen für die Unabhängigkeit Namibias ausgehen werden. Auch als Zuschauer wird einem in der Rolle als Teil dieser Tafelrunde und guter Bekannter des Gastgebers schnell sehr unwohl. Als man dann zur Feier des Tages gemeinsam das „Südwesterlied“, die Hymne der deutschen Landherren in Namibia, anstimmen soll, kommt einem fast die Suppe wieder hoch. Das Pendant zu dieser Station des Spaziergangs durch Namibisch-Deutsche Vergangenheit findet sich in Mimis Radiostation, wo Plakate mit der Aufschrift „Afrika den Afrikanern“ und eine Wand voller Presseberichte über die aktuelle Beziehung zwischen Deutschland und Namibia hängen. Die Kommunikation mit Mimi ist ein Minenfeld, ein weißes T-Shirt bereits ein rassistisches Statement. Nebenbei erfährt man, dass aktuell Bundespräsident Gauck die nach Deutschland eingereisten Vertreter namibischer Herero nicht empfangen hat, um den Kolonialkrieg gegen Herero und Nama von 1904 bis 1907 offiziell als Völkermord anzuerkennen. Klassischerweise gibt es einen dritten Raum, bei dessen Betreten sich ein Schauspieler mit landestypischem Handschlag vorstellt und die Sicht des „Ureinwohners“ bedient .Er pflanzt Bäume auf dem harten Betonboden und erzählt seine Geschichte, die ihn einmal als Kind in die DDR führte. Dieser Raum bleibt etwas schwammig, vielleicht auch deshalb weil es die Perspektive ist, die am weitesten von Zuschauer und auch vom Schauspieler entfernt ist.
Das Format des Dreistationenspaziergang durch die unterschiedlichen Geschichtsräume scheint an keiner Stelle fragwürdig, aber nach zwei Tagen Symposium über Formen von medialen Präsentationsformen im theatralen Raum auch fast schon klassisch.
„Spielplatz Namibia“ hinterlässt Schauder und Landeskunde wird geschickt eingewebt. Beim Hinausgehen wird keiner der Teilnehmer mehr sagen können, man wüsste nur, dass Namibia in Afrika sei und ganz weit weg von Deutschland. Auch wenn die Frage, warum diese „gemeinsame“ Geschichte in Deutschland heute so wenig präsent ist, nie gestellt wird.