Stage@Play Level Two

s@p

Es ist unmöglich die Dichte und Vielseitigkeit der drei vormittagsfüllenden Vorträge  „Play as Game- Spiel als Beute“ von Antje Budde, “Enhanced Reality“ von Eddo Stern  und „Alternate Realities“ von Michael Valeur in einem Beitrag unterzubringen. Stattdessen kann aber hier festgehalten werden, wie der Spielbegriffs und dessen Charakteristik präzisiert wurden.

We need labs! (And a lab-language)

Antje Budde ermöglichte mit Einblicken in ihre Arbeit am Digital Dramaturgy Lab Toronto nicht nur eine Vorstellung des gemeinsamen Forschungsfeldes, was aus dem gestrigen Resümee  „We need labs!“ der Round Tables Diskussionen hervorging. Wie auf einer Landkarte, die bisher voller blinder Flecken war, umriss sie einleitend Begriffsgeschichte und gesellschaftliche Rezeption des Spielbegriffs anhand anekdotischer Fragmente aus Gegenwart, Vergangenheit, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.

Dass die Gesellschaft offener für digitale Formate wird, zeigt sich beispielsweise daran, dass ein Youtube Star wie Le Floyd Angela Merkel interviewt oder, dass letzte Woche Rainald Goetz für seinen Blog „Müll für Alle“, ein digitales literarisches Format, den Büchnerpreis erhielt.
Wenn aber jemand, der bei einem großen Gameunternehmen wie Valve arbeitet und sich mit dem Vertrieb virtueller Abenteuer beschäftigt, plötzlich griechischer Finanzminister wird, hat diese Offenheit Grenzen. Man misstraut jemandem, der mit dem Blick eines Spielers auf eine reale Situation blickt.
Poker ist ein theatralisches Spiel, weil ein Pokerface nichts anderes als der Einsatz einer Maske ist.
Das griechische Theater verhandelte Regeln der Gemeinschaft auf der Bühne.
Theatermacher Karl Hegeman kritisierte, dass der Gedanke des Spiels im Sinne von „Game“ Effizienzdenken und Wettbewerb ins Theater bringe. Brechts „Lehrstücke“ glichen Spielsituationen, die nach einem anderen Regelwerk des gesellschaftlichen Zusammenlabens suchten.
Begründer der Spieltheorie Johann von Neumann entwickelte mit Wirtschaftswissenschaftler Oskar Morgenstern eine ökonomische Spieltheorie, bevor beide wegen des zweiten Weltkrieges emigrieren mussten.

Welches Potential „Spiel“ zugedacht wird und woher andererseits gesellschaftliche Vorbehalte rühren, formuliert Budde nie direkt, sondern überlässt die Querverbindungen den Zuhörenden. Langsam beginnt man so eine Ahnung davon zu entwickeln, um welche Fragen sich das Symposium jenseits technischer Tools auf Theaterbühnen drehen könnte.
„Das Wichtigste ist eine gemeinsame Sprache,“ bestätigt Antje Budde. Dass es möglich ist diese Sprache disziplinübergreifend zu entwickeln, bestätigte wiederum der Vortrag.

Common Ground? Oder Machtgefüge?

Gestern hatte Friedrich Kirschner ein Plädoyer für das utopische Potential von Spielen als Probesituationen für Gesellschaft gehalten. Partizipative Spielformen, so Kirschner, böten einen Common Ground zur Erprobung anderer, neuer Gemeinschafts-und Handlungsformen. Eddo Stern, Künstler und Gamedesigner aus Los Angeles ist gewissermaßen eine zynische Antwort auf diesen Optimismus. Was Eddo Stern, der laut eigener Aussage „in etwa nichts über Theater weiß“, an Spielen interessiert, ist eher die dunkle Seite. Gewalt, Kolonialismus, transformierte Geschichte und Sucht sind Faktoren, die in Computerspielen sehr präsent sind. Eddo Stern, so ist der Eindruck, den seine Arbeiten vermitteln, findet in der virtuellen Welt eines Computerspiels all die Entscheidungen bestätigt, die die Realität nicht zulässt. Das mündet offensichtlich schnell mehr in einer Dystopie als Utopie. Spielsituationen ermöglichen immer auch Machtgefüge wie Gewinner und Verlierer. Wie weit man für diesen Gewinn zu gehen bereit ist, zeigen absurde Beispiele wie Eddo Sterns  „performance based game“ TEKKEN TORTURE TOURNAMENT, ein Wrestlingspiel bei dem der Spieler für jeden virtuellen Schlag einen realen Stromstoss erleidet. Auf Dokumentationsaufnahmen sitzen mit schmerzverzerrtem Gesicht 2 Spieler   nebeneinander um den fiktiven Sieg zu erringen. Man ist Eddo Stern an dieser Stelle auch ganz dankbar für seinen Zynismus, denn wer Realität aus dem Common Ground partizipativer Spielformen neu erproben will, sollte nicht vergessen, welche Machtstrukturen sich auch in virtuellen Räumen leicht reproduzieren können.

JE

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