Zwei Stunden mit Armin – 1. Laborgespräch

Armin Zebrowski und ich haben uns am gestrigen Donnerstag (23.10.) für 2 Stunden zum Debattieren im Labor verabredet. Es sollte um Schwingungen gehen. Ich hatte angeboten, über Schwingungen im Theater zu sprechen – eines meiner Lieblingshaßthemen meiner zugegebenermaßen nicht allzu langen Schauspieltheaterkarriere. Armin war sofort begeistert, denn Schwingungen gehören zu seinem Lieblingsthema. Der zweite Grundsatz der Geheimlehre von Blawatsky besagt, sehr frei von mir aus der Erinnerung zusammengefasst, dass alles Sein in periodischen Schwingungen auftritt oder sich entwickelt. Angekündigt hatten wir das Thema als „Schwingungen im Theater“, was ja auch wieder stimmt, denn wir sind in einem Theater.

Armin und seine Frau Petra trafen eine halbe Stunde vor Laboröffnungszeit ein und begannen ziemlich umstandslos, Stühle aufzustellen, den Tisch zu präparieren. Armin hat ein großes Talent, seinen Arbeitsethos mit Freundlichkeit so zu kombinieren, dass man gar nicht mehr merkt, wenn man von ihm zur Sache gebeten wird. Auch bei unseren bisherigen Treffen legte er immer eine Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit in der Sache an den Tag, ohne dabei pedantisch oder ungeduldig zu wirken. Die Sache ist unser Forschungsauftrag. Dass ihm dieser nach wie vor nicht gänzlich klar ist, was ich ihm nicht vorwerfe, hat ihn bisher nicht daran gehindert, sich mit Ernsthaftigkeit und Fleiß in diese Sache zu werfen. Zu unserem ersten Treffen mit Dominic Oley kam Armin jedenfalls mit dem mit Abstand dicksten Leitzordner von uns dreien.

Armin und ich hatten uns vorbereitet. Ich referierte ein bisschen über meine Sicht auf das Theater als Kunstform und meine Kritik an der Esoterik des Theaters, wie ich es nannte. Ich habe mich dabei ziemlich in einen kulturwissenschaftlich aufgejazzten Dramaturgenjargon hineingeschraubt, sogar einen uralten sehr ambitionierten Text von mir aus der Berliner Gazette zitiert, allerdings gegen Ende meiner Ausführungen den argumentativen Boden etwas unter den Füßen verloren. Armin hörte zu jedem Moment derart aufmerksam zu, dass ich zwischendurch zweifelte, ob es Interesse oder Freundlichkeit war, die ihn an meinen Lippen hängen ließen.

Armin antwortete mit einem Exkurs über die Grundregeln der Geheimlehre, die er aus einem schon alleine visuell sehr imposanten uralten Buch vortrug.

Die Frage, die wir eigentlich behandelten, lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Gibt es ein Mehr der theatralen Kommunikation, und wenn ja, was ist das und woher kommt es? Eine Qualität der Erfahrung, die über das Drama und über die reine Anwesenheit als Zuschauer hinausgeht. Dabei sind wir eigentlich nur am Rande auf das Theater als ästhetischen Vollzug auf der Bühne eingegangen, was mir sehr recht war. Stattdessen ging es eher um Fragen von Kommunikation zwischen Gruppen von Menschen, um das Publikum eher als um die Schauspieler.

Komischerweise, obwohl wir beide der christlichen Religion eher fern stehen, hat Armin das, worum es uns ging gegen Ende mit einem Bibelzitat ganz schön zusammengefasst: „Wo zwei oder mehr in meinem Namen versammelt sind, bin ich unter Euch.“ Mir ist später erst eingefallen, dass der amerikanische Theaterwissenschftler Paul Carter Harrison die richtige, oder vielmehr seine, performative Poetik mir gegenüber mal so zusammengefasst hat: To bring the gods into the house. Es ging also eigentlich um Qualitäten des Zusammenseins, und Gott steht hier für dieses Mehr, das ich oben erwähnt habe.

Armin spricht von Schwingungen. Das ganze Universum schwingt. Aber ich muss gestehen, dass mir nach zwei Stunden angeregter Diskussion nicht klar geworden ist, warum man von der Erfahrung erhöhter Präsenz während einer Theateraufführung (etwas was übrigens selten genug passiert, aber ich immerhin schon erlebt habe), auf die Schwingung de Universums kommt. Mir schien es immer ein bisschen so, als würde Armin mit metaphysischen Kanonen auf meine materialistischen Spatzen schießen. Wo ich von körperlicher Nähe, Verletzlichkeit, Verantwortung, Physis rede, spricht Armin von Schwingungen, Ewigkeit und okkulten Kanälen. Ich kann gar nicht sagen, dass all das nicht stimmt oder was daran wahr oder unwahr sein soll. Es scheint mir nur ein komischer Umweg zu sein, bei dem Versuch Erlebnisse zu Erfahrungen zu organisieren (wie Negt und Kluge es sagen) – also brauchbare, nützliche Erkenntnis zu gewinnen.

In diesem pragmatischen Erkenntnisansatz sind wir uns übrigens, neben vielen anderen Dingen, einig. Und das machte die Diskussion dann wieder extrem wertvoll und inspirierend. Denn Armins Okkultismus leistet sich meines Erachtens keine Abgehobenheit und Weltvergessenheit. Er ist bei allem raunenden Jargon doch gleichzeitig erfrischend diesseitig und pragmatisch und (darin) ausgesprochen humanistisch.

JP

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