Horwitz & Hess – Selbstdarstellung

Unsere Arbeit befasst sich mit dem Thema „Utopien im Theater“. Sie begibt sich auf die Suche nach Fragestellungen, nach Überlegungen und Möglichkeiten Utopien zu formulieren, umzusetzen, zu bearbeiten. Was ist eine Utopie und warum verlieren wir zunehmend die Suche nach ihnen?

Wir sehen das Theater als einen Raum, in dem Utopien durch Körper und Sprache einen Platz finden, existieren können, sichtbar werden. Dabei spielt die Sprache in ihrer Zersetzbarkeit, in ihren Grenzen und in ihrer Un – Eindeutigkeit, eine entscheidende Rolle. Sprache zwischen Menschen und Worte können manchmal zu unüberwindlichen Missverständnissen werden. Die Utopie ist in dem Fall das „Sich Verstehen“, möglicherweise sogar sich selbst und den Anderen. Wir ordnen uns der Sprache unter, wir erkennen, verstehen, begreifen, ordnen ein, schmeißen Unerkanntes weg und antworten. Dabei agieren wir immer in dem erlernten System von aneinander gereihten Worten, Sinnzusammenhängen und Thematiken und befinden uns auf einer stetigen Suche nach Verständnis und Erkennung. In unserer Arbeit unternehmen wir immer wieder aufs Neue den Versuch eine andere Art der Kommunikation zu finden, sprich aus dem bestehenden System heraus eine neue Sprache und eine neue Form des Sprechens zu (er)finden. Diese neue Sprache könnte eine andere Betrachtung auf bereits gesehenes ermöglichen und somit auch eine neue Wirklichkeit eröffnen.

 

Hier kommt der Irre ins Spiel, der Wahnsinnige, der Verrückte. Ein Mensch, mit einer anderen Sicht auf Welt, mit einem andere Koordinatensystem, letztlich mit einer uns zunächst unverständlichen Sprache (zumindest scheint es etwas zu geben, das ihn nicht an dem bestehenden System teilhaben lässt, er kann sich nicht äußern, nicht einordnen, die Verrückung ist zu groß, zu weit weg von dem zu Erkennenden). Der Wahnsinnige ist also der Andere im Verhältnis zu den Anderen; er trifft in der Internierung auf eine von außen formulierte Moral und Vernunft, der er sich unterordnen muss („Wahnsinn und Gesellschaft“ – Foucault). Er kann mit seiner Sprache, dem äußeren System nicht genügen, oder besser sich nicht einordnen. Dadurch entspricht er unserer vorläufig formulierten Utopie, die aus dem System heraus eine neue Sprache sucht.

Im Zentrum dieser Suche stehen dabei Texte von oder über psychisch Kranke, da der Blick eines Menschen, der, durch seine Krankheit, Gewohntes anders wahrnimmt und beschreibt. Diese Texte bieten uns eine Chance einen neuen Blick auf bereits existierenden Dinge zu bekommen. In unserer bisherigen Auseinandersetzung hat uns dieser andere Blick einen Abstand zum Existierenden verschafft und somit Raum für Ansätze eines anderen Miteinanders eröffnet. Diese Texte sind ein Spiegel der Gesellschaft, die den „Verrückten“ als Fremden ausschließt, sich seinem Blick, seiner Wahrnehmung verweigert. Das Theater aber ist ein Ort, an dem diese andere Wahrnehmung, dieser andere Blick einen Raum bekommen kann, eine Auseinandersetzung möglich wird. Auf der Suche nach einer anderen Wirklichkeit, nach einem Zusammenleben neben dem Gewohnten, Alltäglichem, dem familiären im weitesten Sinne, begegnen wir Außenseitern, Geschichten um Nervenkranke.

Unsere Arbeit versucht sich in einer Momenthaftigkeit, einem direkten Austausch mit der Zeit. Mit dem Blick des Zuschauers um zu gehen, als ein sich immer wandelndes Gegenüber. Dadurch bleiben die Arbeiten aktiv und verändern sich auch noch in den Aufführungen. Die Performer treffen Entscheidungen auf der Bühne, im Austausch mit ihrer Sprache und der Sprache des Zuschauers.

 

Miriam Horwitz & Anne-Mareike Hess, 05.02.2014

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